Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur Gleichstellung von Homo-Ehen
Regensburg (ots)
Längst überfällig
Die Gleichstellung von Homo-Ehen im Steuerrecht ist notwendig und taktisch klug - reicht aber nicht aus.
Von Maria Gruber, MZ
Der allgemeine Gleichheitssatz aus Artikel 3 des Grundgesetzes verbietet der öffentlichen Hand, Vergleichbares ohne sachlichen Grund ungleich zu behandeln. Seit mehr als zehn Jahren können Homosexuelle in Deutschland eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen. Seit mehr als zehn Jahren werden sie im Vergleich zu Eheleuten steuerlich benachteiligt. Und seit mehr als zehn Jahren gibt es keinen Grund, der diese Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich rechtfertigen würde. Höchste Zeit also, für eine steuerliche Gleichberechtigung von homosexuellen und heterosexuellen Paaren zu sorgen. Doch das kann nur der erste Schritt sein. Das Bundesverfassungsgericht hat schon Anfang August entschieden, dass homosexuelle Beamte in einer Lebenspartnerschaft die gleichen Familienzuschläge bekommen müssen wie heterosexuelle Ehepaare. Alles andere sei eine "Ungleichbehandlung wegen der sexuellen Orientierung". Allein der besondere Schutz der Ehe nach dem Grundgesetz ist kein ausreichender Grund, andere Lebensformen zu benachteiligen, sagen die Karlsruher Richter. Beim Erbschafts-, Schenkungs- und Grunderwerbs-Steuerrecht gibt es diese Ungleichbehandlung schon nicht mehr. Und so ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis das Bundesverfassungsgericht auch das letzte Steuerprivileg für heterosexuelle Paare zu Fall bringt und dem Bundestag wieder einmal zuvorkommt - das Gremium, das eigentlich für Entwicklung einer Gesetzgebung zuständig wäre, die den Gegebenheiten einer modernen Gesellschaft entspricht. Dass Bundesfamilienministerin Kristina Schröder auf den Zug, den 13 CDU-Abgeordnete in Fahrt gebracht haben, aufspringt, überrascht nur auf den ersten Blick. Auf den zweiten ist es ein ziemlich geschickter Schachzug. Die Ministerin ist - anders als ihre Vorgängerin Ursula von der Leyen - nicht gerade für mutige oder besonders moderne familienpolitische Ansätze bekannt, die sie noch dazu direkt in die Schusslinien des konservativen oder wirtschaftsnahen Unions-Flügels katapultieren. Doch die Ministerin will sich offenbar mit ihrer Partei positionieren. Die Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben voranzutreiben, ist in Zeiten, in denen der Bundestagswahlkampf naht, für eine Volkspartei wie die CDU bestens geeignet, um sich einer neuen Wählerklientel zu öffnen. Nicht nur das: Auch SPD und Grüne, die sich das Thema längst zueigen gemacht haben, dürfte diese Neuausrichtung der Union mit Blick auf zukünftige Regierungsbündnisse interessieren. Schröder selbst kann mit der Aktion Kritiker besänftigen, die befürchteten, dass die Ministerin sich mit dem Rauswurf ihrer angesehenen Frauenpolitik-Expertin Eva Maria Welskop-Deffaa zugleich von einer fortschrittlichen Familienpolitik verabschieden würde. Auch Konservativen sendet Schröder eine Botschaft, die schwer angreifbar ist - weil sie zum einen ziemlich klug argumentiert und zum anderen den Nagel auf den Kopf trifft: Wenn sie sagt, dass auch in lesbischen und schwulen Lebenspartnerschaften Menschen dauerhaft füreinander Verantwortung übernehmen - und somit konservative Werte leben würden. Schließlich stärkt die Forderung nach einer steuerlichen Gleichstellung von Homo-Ehen Schröders Position bei den Verhandlungen über das Betreuungsgeld im Herbst. Korrekturen am Betreuungsgeld, dessen Auszahlung Schröder an den Besuch von Vorsorgeuntersuchungen knüpfen will, dürften sich leichter durchsetzen lassen, wenn der CSU ansonsten das Ehegatten-Splitting für Homo-Paare "droht". Will die Union wirklich fortschrittlich sein, sollte sie sich nicht für eine Ausweitung des Ehegatten-Splittings einsetzen, sondern alles daran setzen, es abzuschaffen. Eine weitere Gruppe miteinzubeziehen ändert nichts an der Grundproblematik des Splittings. Dass Alleinerziehende sowie nichteheliche Partnerschaften mit Kindern davon ausgeschlossen sind - für deren steuerliche Benachteiligung es keinen Grund gibt.
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