Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu Horst Seehofer
Regensburg (ots)
Horst Seehofer plant seine wichtigste Schlacht mit beachtlichem Geschick. Offiziell ist der Wahlkampf längst nicht eröffnet, doch hinter den Kulissen bringt der CSU-Chef seine Truppen in Stellung und tüftelt am perfekten Timing fürs Projekt Machterhalt. Dabei liegt er gut im Rennen. Ohne die CSU geht auch ab 2013 nichts, vielleicht klappt's sogar mit der absoluten Mehrheit. Der Aigner-Coup ist ein wichtiges Puzzlestück. Der Wechsel der Landwirtschaftsministerin von Berlin nach München hat den von Seehofer erwünschten Doppeleffekt: Zum einen ist die beliebte Oberbayerin wichtiger Stimmenmagnet - die Partei hatte dort 2008 schmerzhafte Verluste verkraften müssen. Zum anderen steigt mit Aigner die Zahl der Direktkandidatinnen um ein Landtagsmandat. Der niedrige Frauenanteil ist eine Achillesferse der Partei. Deutliche Appelle Seehofers, das bei den Nominierungen im Blick zu behalten, hatten wenig gefruchtet. Es müssten immer die aussichtsreichste Bewerber nominiert werden, hieß es von den Männern. In der Oberpfalz malte der Landtagsabgeordnete Otto Zeitler gar die Gefahr eines Lands der Amazonen an die Wand, nachdem es die Ministerin und Bezirksvorsitzende Emilia Müller wagte, nach dem Direktmandat zu greifen. Man darf gespannt sein, wie der Streit ausgeht. Bei Aigner zieht keine Verhinderungsstrategie. Seehofer hat also sein Ziel erreicht - auch wenn in der Öffentlichkeit ein anderer Aspekt alles überlagert: die Kronprinzessinnen-Frage. Der CSU-Chef ist zwar mitnichten amtsmüde. Lustig zu beobachten war es dann aber doch, wie die Nachfolger in spe Aigners Heimkehr kommentierten. Finanzminister Markus Söder postete im sozialen Netzwerk Facebook ein gemeinsames Bild, outete sich aber zugleich anderswo symbolträchtig als politischer Langstreckenschwimmer. Sozialministerin Christine Haderthauer begrüßte per Twitter die "Kronprinzessinnen-Kollegin". Wahlkampf kann auch amüsant sein. Für Seehofer bietet die Titelverteidigung gerade weit mehr als Amüsement. Neue Umfragen machen ihn zum Horst im Glück - auch wenn sich in den zwölf Monaten bis zur Landtagswahl vieles ändern kann und von der CSU selbst in Auftrag gegebene Meinungserhebungen kein Evangelium sind. Wichtiger Faktor: Im direkten Vergleich übertrumpft Seehofer seinem Herausforderer Christian Ude klar mit 54 zu 35 Prozent. Bei den jungen Wählern schneidet Seehofer mit 63 Prozent Zustimmung sogar noch besser ab. Der Amtsbonus spielt Seehofer in die Hände. Während Ude gerade einen Marathon als Bierzeltredner absolviert, ist Seehofer von Dienstwegen als Ministerpräsident pausenlos unterwegs. Als Bundesratspräsident hat er international eine gute Figur gemacht. Zuletzt traf er bei seiner schwierigsten Auslandsmission, der Reise nach Israel, den richtigen Ton. Für die CSU ist trotzdem nicht alles in sicheren Tüchern. Bei den Umfragen steckt der Teufel im Detail: Die absolute Mehrheit, von der die Partei insgeheim träumt, wollen die Wähler nicht. Auch das Kalkül der FDP geht nicht auf. Die Liberalen gelten nicht als Wunschkorrektiv. Damit wird es für die Partei noch schwerer, aus dem Umfragekeller zu klettern. Stattdessen gefällt dem wundersamen Wähler am besten eine Große Koalition. Ein Bündnis mit zwei Beteiligten, die gerade nach Kräften auf Distanz gesetzt. Im September 2013 werden Fakten gesetzt. Bis dahin bleibt Spielraum für politische Träume: In der CSU ist es der von der absoluten Mehrheit, bei Rot-Grün der vom Machtwechsel. Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger hegt die Hoffnung auf 15 Prozent. Die FDP ersehnt die Wiederauferstehung, die Piraten das Kapern des Landtags. Das macht Politik gerade so spannend, trotz einer CSU auf der Erfolgsspur. Der gestählte Wahlkämpfer Seehofer weiß ohnehin: auch dort können Überraschungen lauern.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Original content of: Mittelbayerische Zeitung, transmitted by news aktuell