Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur UN-Klimakonferenz: "Nach uns die Sintflut"
Regensburg (ots)
Nie zuvor besaß der Veranstaltungsort einer UN-Klimakonferenz eine derart starke Symbolkraft: Mitten im Wüstenstaat Katar, einer der heißesten und trockensten Gegenden der Erde, berät die Weltgemeinschaft bis Ende nächster Woche über künftige Anstrengungen im Kampf gegen die Erderwärmung. Das Emirat brachte es zu einer gewissen Bekanntheit mit einer Diskussion, die sinnbildlich für Maßlosigkeit im Umgang mit unseren Ressourcen steht. Als Katar den Zuschlag für die Fußball-WM im Jahr 2022 erhielt, lieferte das öl- und erdgasreiche Land einen beispiellosen Vorschlag, um das Turnier nicht in die Wintermonate verschieben zu müssen. Bedenken aus der Sportwelt, dass Spieler und Zuschauer bei einer Juli-Hitze von 50 Grad reihenweise umfallen könnten, zerstreuten die Scheichs mit dem Hinweis, die Fußballstadien würden mit Klimaanlagen auf erträgliche Temperaturen heruntergekühlt. Nach dieser Logik könnte man auch ein Beachvolleyballturnier in der Antarktis ausrichten - genügend Heizstrahler vorausgesetzt. Delegationen aus mehr als 190 Ländern feilschen nun in Katar darum, ob und wie die Aufheizung der Atmosphäre bis zum Ende des Jahrhunderts auf zwei Grad begrenzt werden kann. Oder ob man einen Temperaturanstieg um bis zu vier Grad zulässt. Zwei Grad hin oder her hört sich zwar zunächst nicht viel an. Doch sie entscheiden nach übereinstimmender Einschätzung aller seriösen Klimaforscher darüber, ob sich die Folgen der Erwärmung noch halbwegs beherrschen lassen - oder ob die Welt aus den Fugen gerät. Bei letzterem Szenario könnten sich die Konferenzteilnehmer bei ihrer Tagung bereits heute bei einer Exkursion in die Wüste ein Bild davon machen, wie es in wenigen Jahrzehnten vielleicht auch in Teilen Südeuropas aussieht. Denn die Folgen des Klimawandels machen vor nationalen Grenzen nicht halt. Die Konsequenzen wurden immer wieder ausgiebig beschrieben: Eine Zunahme von langen Dürren und Hitzeperioden, wie wir sie ansatzweise auch in Deutschland bereits erlebt haben. Mehr Wetterextreme mit zerstörerischen Stürmen und sintflutartigen Regenfällen. Und die weltweite Überschwemmung von Küstengebieten, falls das Eis in Grönland und am Nordpol schmilzt. Das alles begleitet von einer Völkerwanderung durch Millionen Klimaflüchtlinge. Die 18. Konferenz ihrer Art müsste sich also hinreichend ihrer Verantwortung bewusst sein. Von einer "goldenen Chance" für den Klimaschutz sprach der Konferenzleiter gestern bei der Eröffnung der Tagung. Dennoch wird das Abschlusspapier des Gipfels von Doha voraussichtlich wieder das Zeugnis einer verpassten Chance sein - so wie die Erklärungen von Durban, Cancún, Kopenhagen, etc. bereits auch. Die Delegationen werden sich erneut auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen. Der besteht aus Absichtsbekundungen und dem Plan, dass man weiter verhandeln werde. Der einzige - unfreiwillige - Sinn der stets ärgerlichen und teuren UN-Klimakonferenzen besteht bislang darin, der Öffentlichkeit das Versagen der Regierungen zu demonstrieren. Es sind immer wieder dieselben Verdächtigen, die wegen wirtschaftlicher Interessen als große Bremser auftreten: Die USA und China, wo Umweltauflagen ausschließlich als Belastung für die heimischen Unternehmen gesehen werden. Doch auch Deutschland gibt mit den Subventionen für besonders energiehungrige Betriebe ein schlechtes Beispiel ab. Um den Ausstoß von Treibhausgasen zu bremsen, müsste man genau das Gegenteil tun: Die Emissionen von CO2 und anderen klimawirksamen Gasen wie Methan müssten einen Preis bekommen. Sie müssen ein messbarer Kostenfaktor werden, damit für die Verursacher ein Anreiz entsteht, sie zu vermeiden. Diese Abgabe wird natürlich niemals kommen, weil die Politik vor den mächtigen Lobbyverbänden kuscht. Die Regierenden handeln weiter nach dem Motto: Nach uns die Sintflut. Zumindest damit könnten sie richtig liegen. Autor: Stefan Stark
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