Mittelbayerische Zeitung: Gipfel ohne Stürmer Altmaier und Rösler malen die Lage rosarot. Dabei steht der wirkliche Kraftakt noch bevor. Von Reinhard Zweigler
Regensburg (ots)
Die vor rund eineinhalb Jahren unter dem Eindruck des Fukushima-Unglücks ausgerufene Energiewende kann in Deutschland nur gelingen, wenn alle Beteiligten, also Bürger, Wirtschaft, Politik, Verbände, Bund und Länder an einem Strang ziehen - und das möglichst auch noch in eine Richtung. Das quälende Hickhack um die Förderung der Gebäudesanierung ist leider ein Beispiel dafür, wie es nicht gehen sollte. Fast eineinhalb Jahre haben sich Bund und die Rot-Grün regierten Länder darüber gestritten, wie ein kräftiges Förderprogramm für die energetische Sanierung, für die Dämmung von Gebäuden, für neue Heizungen oder gut isolierte Fenster, finanziert werden könnte. Der Bund wollte Hauseigentümern durch kräftige Abschreibungsmöglichkeiten zu Investitionen anspornen. SPD und Grüne lehnten dies aus vorwiegend ideologischen Gründen ab. Auch das Argument der Praktiker, dass die Länder unter dem Strich nichts zuschießen müssten, sondern über höhere Steuereinnahmen sowie mehr Jobs sogar ein Plus machen würden, überzeugte nicht. Nun hat der Bund ein Zuschussprogramm aufgelegt, das jedoch nur die zweitbeste Lösung ist. Ein größerer Wurf zur Einsparung von Energie und damit von weniger Treibhausgasen ist im politischen Kleinklein gescheitert. Ein gutes Omen für die noch viel größeren weiteren Herausforderungen der Energiewende war das Geschacher um die Gebäudesanierung gewiss nicht. Gestern gaben sich die beiden zuständigen "Wende-Minister" Peter Altmaier und Philipp Rösler ordentlich Mühe, das politische Management der gigantischen Energie-Umwälzung rosarot zu malen. Man sei ein gutes Stück vorangekommen, klopften sich beide Politiker auf die Schulter, die sich in den Monaten zuvor im Wirrwarr von Zuständigkeiten und Gesetzen, von Prognosen, Netzen und Gebühren gehörig gerauft hatten. Ganz nach der Art der Kanzlerin lieben es Rösler und Altmaier, sich in Ankündigungen und immer neuen Foren und Gipfeln zu ergehen. Allerdings fehlt es den zahllosen Energiegipfeln in Deutschland derzeit an beherzten Gipfelstürmern. Dies sind weder der Wirtschafts-, noch der Umweltminister. Rösler gibt den besorgten Anwalt wider die steigenden Energiepreise und wirft kräftig Sand ins Getriebe der Erneuerbaren. Altmaier wiederum versucht händeringend, die boomenden erneuerbaren Energien, vor allem die überförderte Photovoltaik, zu bändigen und die Klimaschutzziele nicht aus dem Blick zu verlieren. An beiden Protagonisten machen sich die tiefen Widersprüche fest, die in der Energiewende hart aufeinander treffen: Atomkraft, Kohle und Gas gegen Wind- und Solarkraft oder Bio-Energie. Nord-Länder mit großen Offshore-Windpark-Kapazitäten gegen Süd-Länder mit hohem Strombedarf. Netzbetreiber gegen Energieerzeuger. Private Verbraucher gegen große Stromkunden mit satten Rabatten. Strompreise gegen Versorgungssicherheit und der Vorsorge vor einem Blackout. Notwendiger Leitungsausbau gegen die Bürgerinteressen vor Ort. Die Crux an der Energiewende ist, dass genau diese vielen gravierenden Interessengegensätze vereint werden, dass wahnsinnig viele Zahnräder ineinandergreifen müssen. Das Problem der langfristig angelegten Energiewende ist auch, dass sie von kurzatmiger Politik gemanagt wird, die eher nach Wahlterminen schielt, statt sich an langfristigen Linien und Notwendigkeiten zu orientieren.
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