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Mittelbayerische Zeitung: Der Anti-Merkel Als Millionärsversteher hat sich Steinbrück ins Abseits gestellt. Doch er kann ein Comeback schaffen. Von Stefan Stark

Regensburg (ots)

Wie wollen wir sie haben, unsere Politiker? Ausweichend, unverbindlich, mit einer Sowohl-als- auch-Rhetorik - klammheimlich bemüht, es sich mit niemandem zu verscherzen? Die alle unbequemen Dinge - siehe Euro-Rettung - in Geheimzirkeln ausmauscheln und dann als "alternativlos" verkaufen? Angela Merkel hat diesen Stil während ihrer Kanzlerschaft zur Perfektion gebracht. Konfliktvermeidung um jeden Preis steht hinter dieser Methode. Damit verbaut man sich nicht so schnell die Möglichkeit, Everybody's Darling zu sein. Oder wollen wir jemanden mit Macken und Kanten, der scharf formuliert und sagt, was er denkt, auch wenn er damit aneckt? Diese Art hat Peer Steinbrück während seiner Zeit als SPD-Kanzlerkandidat zu seinem Markenzeichen gemacht - in seinem Selbstbewusstsein gedopt von Zeitungstiteln wie "Der kann es". Und aus dem Kalkül heraus, sich als eine Art Anti-Merkel zu inszenieren. Blickt man auf die Umfragewerte, ist die Antwort schnell gegeben. Die Kanzlerin mit ihrem kühlen und abwartenden Kurs rangiert auf der Beliebtheitsskala der Politiker mit großem Abstand auf Platz 1 und konnte ihren Vorsprung zuletzt noch ausbauen. Steinbrück wiederum schaffte es mit seinen Äußerungen, die ihm als Fettnäpfchen angekreidet wurden, sich in der Politiker-Rangliste sogar hinter Außenminister Guido Westerwelle zu katapultieren. Weil die Personalisierung der Politik immer weiter voranschreitet, färben die Popularitätswerte der Spitzenleute deutlich auf die Parteien ab. Merkels Union kann sich derzeit in Umfragewerten von 40 Prozent plus X räkeln, während Steinbrücks Sozialdemokraten auf deprimierende 26 Prozent abstürzen. Zwei Konstellationen treffen aufeinander: Im Bund herrscht einerseits keine Wechselstimmung - zumindest in Bezug auf die Kanzlerin und ihre Union. Andererseits hat die SPD einen Kandidaten aufs Schild gehoben, der sich mit seinen "Hurra"-Attacken selbst mattsetzt. Steinbrücks Äußerungen zum Kanzlergehalt waren - auch wenn er im Prinzip Recht hat - für einen Sozialdemokraten äußerst ungeschickt. Ja, es gibt Sparkassendirektoren, deren Salär über dem der deutschen Regierungschefin liegt. Genauso gibt es Unternehmer, Manager und Geschäftsführer, die mehr verdienen. Doch wem nutzt die Diskussion? Die große Mehrheit der Arbeitnehmer und der Rentner, deren Bezüge in einer Bandbreite zwischen 900 und 3000 Euro im Monat liegen, dürfte Merkels Bruttogehalt von rund 16 000 Euro durchaus für zum Leben ausreichend halten. Den Nerv der klassischen SPD-Klientel trifft Steinbrück mit diesem Thema jedenfalls nicht. Doch das große Bohai, das darum gemacht wurde, lässt sich nur im Zusammenhang mit der Diskussion um Steinbrücks hohe Nebeneinkünfte als Abgeordneter erklären. Ein Sozialdemokrat, der sich als Millionärsversteher auch in eigener Sache gibt, muss sich nicht wundern, wenn seine Popularität jäh abstürzt. Solange erregt über Steinbrücks Äußerungen diskutiert wird, kann sich Merkel halbwegs beruhigt zurücklehnen. Denn in dieser Zeit spricht niemand laut über die unangenehmen Themen wie die wahren Kosten der Euro-Rettung. Auch geht völlig unter, dass die schwarz-gelbe Koalition in den kommenden acht Monaten wohl kein größeres Thema mehr anpacken wird. Anders ausgedrückt: Ein dreiviertel Jahr politischer Stillstand. Es wäre verfrüht zu sagen, die Bundestagswahl sei bereits gelaufen. Steinbrück kann der SPD zu einem Comeback verhelfen - unter mehreren Bedingungen. Die Genossen dürfen nach einem möglichen Debakel in Niedersachsen nicht in Panik verfallen. Eine Kandidatendebatte wäre tödliches Gift für den Wahlkampf. Die SPD muss außerdem zurück zu Sachthemen. Die Steuersünder-Debatte ist ein erster Schritt. Steinbrück selbst sollte seine rhetorischen Fähigkeiten dazu nutzen, sich die wunden Punkte der schwarz-gelben Koalition vorzunehmen. Und eine Eigenschaft kann er sich von Merkel abschauen: Ein Politiker muss nicht zu allem seinen Senf dazugeben.

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