Mittelbayerische Zeitung: Beruhigungspille im Wahljahr - Das Konzept zur Dämpfung der Energiepreise ist noch ziemlich unausgegoren. Von Reinhard Zweigler
Regensburg (ots)
Mancher Fahranfänger hat es vielleicht schon einmal erlebt. Bremsen und Gas geben zugleich, das geht nicht. Es sorgt höchstens für einen kapitalen Getriebeschaden. Dennoch verfahren die beiden Energiewende-Minister Peter Altmaier und Philipp Rösler im Grunde nach diesem fragwürdigen Motto. Der kräftige Anstieg der erneuerbaren Energien soll abgebremst werden, weil er als Haupttreiber die Strompreise zum Galoppieren bringt. Gleichzeitig aber sollen klimafreundliche Stromquellen ordentlich zur Versorgung beitragen und nach und nach Atom- sowie Kohle-Strom ablösen. Die Strompreisbremse der Regierung, auf die sich die zerstrittenen Minister erst in der Nacht zum Donnerstag verständigt hatten, ist leider noch ziemlich unausgegoren. Würde ein Auto so schludrig konstruiert und gebaut, es dürfte nicht auf deutschen Straßen fahren. Das gestrige Sondertreffen von Rösler und Altmaier mit den zuständigen Länderministern jedenfalls hat in Sachen wirksamer Energie-Preisdämpfung noch keinen Durchbruch gebracht. Wie auch? Union und FDP sind sich ja selbst nicht wirklich einig. Sie haben sich bestenfalls auf einen Minimalkonsens verständigt, mit dem beide Minister jeweils das Gesicht wahren können. Die Länder sind von den Rösler-Altmaier-Vorschlägen erst recht nicht begeistert. Sie haben in Sachen Öko-Energie durchaus unterschiedliche Interessen. Die einen, etwa Bayern, träumen von der Selbstversorgung, setzen auf Solar- und/oder einheimische Windkraft sowie Gaskraftwerke. Andere Länder, vor allem die in den windreichen Küstenländern, sehen sich bereits als große Windstrom-Exporteure für den Süden. Diese Interessen-Gegensätze müssen ebenfalls ausgeglichen werden. Nur wie? Die Politik agiert jetzt vor allem deshalb so geschäftig, weil die Angst vor weiteren satten Preisanstiegen die Wähler und Wählerinnen umtreibt. Strom könnte zum Luxusgut werden. Bereits heute wird jedes Jahr einigen Hunderttausend sozial schwachen Haushalten der Strom abgedreht. Altmaier ist schon vor wenigen Wochen mit Vorschlägen vorgeprescht, die wohl auch als Beruhigungspille gedacht sind. Er will alle ein wenig schröpfen. Die großen Stromfresser in der Industrie, die bislang weitgehend geschont werden, sollen ebenso etwas bluten wie die Betreiber von Öko-Stromanlagen und die Investoren von Neu-Anlagen. Das große Ziel ist erst einmal die Begrenzung der Öko-Stromumlage auf etwas mehr als fünf Cent. Nachdem sie dieses Jahr kräftig nach oben schnellte. Altmaier hat gleich so viele Vorschläge unterbreitet, dass die politische Konkurrenz unmöglich alle in Bausch und Bogen ablehnen kann. Rösler, der eigentlich das ganze Ökostrom-Umlagesystem kippen will, auch nicht. Er würde sonst, wie die Opposition, als Verhinderer gebrandmarkt. Die Botschaft des CDU-Ministers lautet: etwas mehr Gerechtigkeit beim Tragen der Strompreisbürde. Dennoch fehlt noch vieles an Altmaiers beziehungsweise Röslers Strompreisbremse. Warum zum Beispiel werden die Stromversorger nicht gezwungen, die auch wegen der wachsenden Anteile des Öko-Stroms sinkenden Strom-Börsenpreise an die Kunden weiterzugeben? Warum profitiert der Staat infolge der auf die Öko-Strom-Umlage aufgeschlagenen Mehrwertsteuer ungeniert am Preisauftrieb? Oder warum wird die Öko-Stromvergütung nicht abhängig von den Erzeugungskosten gemacht? Die Strompreisbremse ist längst noch nicht durchkonstruiert.
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