Mittelbayerische Zeitung: Lasst Serbien herein Ein serbischer EU-Beitritt wird nicht billig sein. Doch sollte die Tür zubleiben, wird es richtig teuer.Von Norbert Mappes-Niediek
Regensburg (ots)
Präsidenten von EU-Beitrittskandidaten werden in Interviews gern gefragt, was ihr Land in die Gemeinschaft einzubringen hat. Wenn es so weit ist, wird wohl auch Serbiens Präsident Tomislav Nikolic, ganz wie seine Vorgänger, auf verschiedene landschaftliche Schönheiten und tausendjährige Klöster hinweisen müssen. Dabei ahnt jeder: Serbien wird der angeschlagenen EU nur Kosten und Ärger bringen. Weil niemand diese traurige Wahrheit offen ausspricht, findet leider auch das passende Gegenargument in der Öffentlichkeit kein Gehör. Es lautet: Wenn Serbien draußen bleiben muss, bringt es der angeschlagenen EU noch viel mehr Kosten und Ärger. Ohne die Lockung des EU-Beitritts würden die Regierungschefs Serbiens und des Kosovo jetzt nicht gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. Es war Kanzlerin Angela Merkel, die vor eineinhalb Jahren bei einem Besuch in Belgrad klarmachte: Jede Trittstufe auf der Himmelsleiter nach Europa muss Serbien künftig mit einem kräftigen Zugeständnis in der Kosovo-Frage bezahlen. Seit die Deutschen sich in der Region persönlich engagieren, haben sie aber auch selbst dazulernen müssen: Die Probleme des Balkans, stellte sich heraus, waren offenbar nicht deshalb so schwierig, weil dort die Menschen so radikal und die Politiker so vernagelt wären. Sie sind vielmehr objektiv schwierig. Erst wer das begriffen hat, zollt dem beträchtlichen Unruhepotenzial auch kleiner Konflikte wie dem um den Norden des Kosovo den nötigen Respekt. In dieser Woche müssen Serben und Kosovo-Albaner das richtige Maß an Autonomie für die Serben finden, die heute noch im Kosovo leben. Dabei ist nicht einmal sicher, ob es dieses richtige Maß überhaupt gibt. Bekommen die Kosovo-Serben zu wenig Autonomie, so würde die albanische Mehrheit sie schikanieren und so aus dem Land graulen. Bekommt die Minderheit zu viel Autonomie, würde sie ihrerseits die Mehrheit bei jeder Gelegenheit blockieren. Mit einer zweiten Parlamentskammer der nationalen oder gar religiösen Gemeinschaften, wie sie dem serbischen Präsidenten Nikolic vorschwebt, wäre das Kosovo, obwohl nur halb so groß wie Mecklenburg-Vorpommern, etwa so steuerbar wie die Vereinten Nationen. Würden die serbischen Gemeinden so autonom, wie Belgrad es gerne hätte, hätten die Kosovo-Serben eine eigene Polizei, eine eigene Justiz - praktisch beschickt und unterhalten von Belgrad. Belgrad behielte im unabhängigen Kosovo einen Fuß in der Tür. Das ist genau das, was die Albaner seit zwanzig Jahren überwinden wollen. Wird die optimale Lösung nicht gefunden, bleibt Serbien bis auf weiteres vor den Toren der EU. Für die Regierenden in Belgrad muss das nicht unbedingt ein Nachteil sein. Sie können das Problem des Nord-Kosovo auch ganz anders spielen und haben früher auch schon getan: Den Europäern macht man sich nicht unbedingt als Problemlöser attraktiv. Erweist sich der Beitritt als Illusion oder nur als allzu fern Perspektive, heißt das nicht, dass Europa einen vergisst. Man kann sich als Unruhestifter interessant machen; bei der Nähe Serbiens zur EU und wegen seiner strategischen Lage auf dem Balkan ist das ein probates Mittel. Ärger erspart Europa sich damit nicht, und schon gar keine Kosten. Für den Kosovo-Krieg haben die Nato-Länder allein an unmittelbaren Kosten für Waffen und Militäreinsatz etwa eine Milliarde Euro pro Woche bezahlt - von den Folge- und Wiederaufbaukosten oder gar vom Opfer an Menschenleben ganz zu schweigen. Ein friedliches EU-Mitglied Serbien kostet im schlimmsten Fall eine Milliarde pro Jahr.
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