Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur Blockade in Washington: Obamas stärkste Waffe von Thomas Spang
Regensburg (ots)
Der Präsident will die Blockade in Washington durchbrechen, indem er seine Gegner gnadenlos vorführt.
Barack Obama versucht mit einer Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche, den politischen Stillstand in Washington zu überwinden. Er umschmeichelt republikanische Senatoren bei privaten Dinner-Einladungen, kommt Speaker John Boehner mit seinem Haushaltsentwurf auf mehr als halbem Weg entgegen und scheut sich nicht, die eigene Basis mit seiner dauernden Kompromiss-Bereitschaft zu nerven. Gleichzeitig mobilisiert er seine Landsleute von der Präsidentenkanzel für konkrete Anliegen. Von universalen Personen-Überprüfungen beim Waffenkauf über einen Weg zur Staatsbürgerschaft für die elf Millionen Einwanderer ohne Papiere bis hin zu einer ausgewogenen Fiskalpolitik. Diese Kombination aus Charme-Offensive und "Bully Pulpit" hat mindestens im Senat Tauwetter gebracht. Bei der Waffengesetzgebung rauften sich der Demokrat Joe Manchin und der Republikaner Pat Toomey zusammen, den Weg für eine Abstimmung frei zu machen. Vielversprechend sind auch die Fortschritte einer überparteilichen Arbeitsgruppe bei der Einwanderung. Dagegen beißt Obama im Repräsentantenhaus auf Granit. Dort weisen die Betonköpfe der Tea-Party-Fraktion aus Prinzip alles zurück, was aus dem Weißen Haus kommt. Speaker Boehner findet sich ein ums andere Mal in Geiselhaft der Rechtspopulisten, die ihn auf den Blockadekurs festlegen. Für den Schachspieler im Weißen Haus kommt das nicht unerwartet. Natürlich möchte der Präsident Fortschritte erreichen. Insbesondere bei den Waffengesetzen und der Einwanderung. Seine Manöver verfolgen aber noch ein anderes Ziel. Er will den Speaker mattsetzen, indem er den Demokraten bei den Kongresswahlen 2014 zurück zu einer Mehrheit im Repräsentantenhaus verhilft. Am Ende können nur die Wähler die Selbstblockade in Washington auflösen. Ein System der Regierung, das ohne Kompromissbereitschaft zwischen den Trägern der geteilten Macht nicht funktioniert. Die Tea-Party-bewegten Republikaner haben bis heute nicht begriffen, dass sie mit ihrer Mehrheit im Repräsentantenhaus nicht Opposition, sondern Teil der Regierung sind. Politologen beobachten diesen Trend zur Parlamentarisierung des US-Systems schon seit einer ganzen Weile. Während es bis zu den 90er Jahren üblich war, dass Republikaner und Demokraten im Kongress regelmäßig über die Parteigrenzen hinweg zusammenarbeiteten, veränderte der Einzug der republikanischen Rebellen um Newt Gingrich das Klima in Washington. Statt an praktischen Lösungen zu arbeiten, hauten sich Politiker Glaubenssätze um die Ohren. Die stärkste Waffe, die Obama in der Auseinandersetzung mit der im Gleichschritt marschierenden Mehrheit im Repräsentantenhaus hat, bleibt die öffentliche Meinung. Und daran arbeitet er in seiner zweiten Amtszeit. Offensiver, energischer und mutiger. Die Strategie könnte aufgehen. Obama führt den Obstruktionskurs seiner Gegenspieler auf dem Capitol Hill gnadenlos vor. Dabei helfen ihm moderate Konservative im Senat, die längst erkannt haben, wie destruktiv die Totalverweigerung für die "Grand Old Party" geworden ist. Sie wollen am Wahltag nicht mit unter die Räder kommen. Zumal sich der Wind in den USA spürbar gedreht hat, wie sich an der Einstellung zu Themen wie der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen, Waffengewalt, Einwanderung und anderen einstmals heißen Eisen ablesen lässt. Selbst wenn Präsident Obama im Kongress aufläuft, hat er inzwischen deutliche Mehrheiten in der Bevölkerung hinter sich. Damit ist der Boden für eine Korrektur bei den Kongress-Wahlen im kommenden Jahr bereitet.
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