Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur Beisetzung Margaret Thatchers: Eiserne Ladys von Reinhard Zweigler
Regensburg (ots)
Macht und politisches Geschick: Beides hatte Thatcher, beides hat auch Merkel. Doch es gibt Unterschiede.
Umstritten selbst nach ihrem Tod. Während Tausende Briten und internationale Trauergäste gestern in London von der früheren britischen Premierministerin Margaret Thatcher würdevoll Abschied nahmen, gab es auch Proteste. An der "eisernen Lady", die ihrem Land einst einen harten Sanierungskurs aufzwang, scheiden sich noch heute die Geister. Thatcher-Gegner zeigten dem Trauerzug den Rücken. Ihre Politik der gnadenlosen Privatisierung und Liberalisierung spaltet die britische Gesellschaft offenbar noch heute. Dass viele Kommentatoren die einstige britische Lady mit der deutschen Bundeskanzlerin vergleichen, hat wohl vor allem mit der Machtfülle, dem politischen Geschick und vielleicht der naturwissenschaftlichen Vorbildung der beiden Frauen zu tun. Und beide haben sich in eine Männerdomäne vorgewagt und dort Karriere gemacht. Wie einst Thatcher versteht es auch Angela Merkel, politische Interessen im zähen Geschäft auf nationaler und internationaler Bühne durchzusetzen. Und, nun ja, schöne Handtaschen mögen sowohl Thatcher als auch Merkel. Und vielleicht Millionen weitere Frauen auf der Welt... Aber freilich gibt es zwischen beiden konservativen Politikerinnen auch gewaltige Unterschiede. Am augenfälligsten ist wohl der, dass Thatcher, anders als Merkel, nichts von Kompromissen hielt. Unvergessen ist die unerbittliche Haltung der Britin gegenüber der Europäischen Union, der sie einen britischen Rabatt abtrotzte, der bis heute Bestand hat. Thatcher hat Brüssel das eine um das andere Mal geradezu erpresst. Die EU-Skepsis der Insel hat Thatcher geradezu kultiviert - und anderen Staatsmännern, etwa Kanzler Helmut Kohl, die Nerven geraubt. Mehr als eine lockere Wirtschaftsgemeinschaft durfte die EU aus Sicht Thatchers nicht sein. Das haben übrigens alle ihre Nachfolger, egal ob von den Torries oder der Labour-Partei, nicht anders gehalten. Angela Merkel dagegen ist zurzeit DIE dominierende und moderierende Politikerin Europas. Erst recht in der Euro-Krise geht nichts ohne die deutsche Kanzlerin. Als Regierungschefin des größten Euro-Landes wächst ihr diese entscheidende Rolle nicht nur per Amt zu, sondern Merkel füllt sie auch aus. Nicht so laut und mit der Handtasche auf den Tisch polternd wie einst Thatcher, sondern mehr hinter verschlossenen Türen, diplomatisch, in vielen, vielen Runden. Merkel schmiedet Kompromisse, wo Thatcher die europäischen Partner oft genug lautstark vor den Kopf stieß. Und, einen Krieg zu führen, um etwa die Wiederwahl zu beeinflussen, wie es Thatcher bei der Auseinandersetzung um die Falkland-Inseln mit Argentinien tat, käme Merkel nie in den Sinn. Diese mehr introvertierte Art Merkels, Politik zu betreiben, darf jedoch nicht über ihre Zielstrebigkeit und ihr Machtbewusstsein hinwegtäuschen. Die Ostdeutsche ist die unumstrittene Nummer 1 der Union. Neben und unter Merkel schnurren die bayerischen CSU-Löwen wie zahme Stubentiger. Sie ist zugleich die Wahlkampflokomotive für das konservative Lager. Doch diese Dominanz Merkels ist, wie einst bei Thatcher, zugleich eine Achillesferse ihres politischen Lagers. Hinter oder gar neben Merkel gibt es niemanden, der in der Lage wäre, aus dem Stand die Kanzlerin zu ersetzen. Merkels Handtasche ist, wie einst die von Margaret Thatcher, zu schwer für die potenziellen Nachfolger. Insofern gibt es für die Opposition mit dem glücklosen SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück an der Spitze vielleicht doch noch Hoffnung. Irgendwann einmal.
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