Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zur wachsenden Beliebtheit der Städte
Regensburg (ots)
Willkommen in der City
Immer mehr Menschen fühlen sich in der Stadt besser aufgehoben als auf dem (Um-)Land, Sehnsuchtsort von Familien mit dem Wunsch nach viel Platz zum Leben im Grünen. Wer sich im grauen Einheitsbrei vieler Vorstädte umsieht, ahnt auch, warum. Lang ist es her, als der Architekturkritiker Alexander Mitscherlich die "Unwirtlichkeit unserer Städte" anprangerte, die die Bewohner mit unmenschlichen Dimensionen und dem Primat für die "autogerechte Stadt" aus den Innenstädten trieben. Schon damals trat aber nur derjenige die Flucht ins Grüne an, der es sich auch leisten konnte. Für die Schubumkehr zugunsten der Innenstädte ist das Gleiche zu befürchten. Junge Familien suchen vergeblich bezahlbaren, ausreichend großenWohnraum in den Metropolen. In München ziehen alljährlich immer noch tausende von Familien in die umliegenden Landkreise, wo sie die Miete noch stemmen können und die Pendlerpauschale wie eh und je dafür sorgt, dass die Fahrtkosten auf dem Weg zur Arbeit nicht allzu sehr ins Kraut schießen. Die Immobilienwirtschaft schielt indessen auf die Geldbeutel jener gut verdienenden Singles und kinderlosen Paare, die es sich leisten können, eine vierstellige Monatsmiete oder einen satten sechsstelligen Kaufbetrag für eine Wohnung in der City hinzulegen. Die Städte sind froh über jeden neuen Bewohner, weswegen sie dem Immobilien-Wildwuchs oft tatenlos zusehen. Solange sich daran nichts ändert, ist die "Renaissance der Städte" nur eine Fortsetzung der viel beklagten Gentrifizierung, die auch noch die letzten alten Mieterfamilien aus den Innenstadt-Wohnungen vertreibt.
von Reinhold Willfurth, MZ
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