Mittelbayerische Zeitung: Kommentar von Maria Gruber zu Türkei/EU-Mitgliedschaft
Regensburg (ots)
Es war nur eine Frage der Zeit, bis ein CSU-Politiker im Wahlkampfmodus sagt, was ein CSU-Politiker im Wahlkampfmodus eben sagen muss: Dass der Umgang Erdogans mit den Demonstranten bestätige, was die Christsozialen seit Jahren sagen - die Türkei habe in der Europäischen Union als Vollmitglied nichts verloren. Diese Aussage von CSU-Chef Horst Seehofer ist purer Populismus. Im europäisch-türkischen Assoziierungsabkommen aus dem Jahr 1963 wurde festgelegt, dass dem Land der Beitritt in die EU gewährt werden soll, sobald die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Diese Aussicht und die bereits begonnenen Beitrittsverhandlungen mit der EU dürften entscheidend dazu beigetragen haben, dass in der Türkei nötige Reformen in Angriff genommen wurden. Dieser Prozess darf nicht abreißen. Nur wenn die Beitrittsverhandlungen wie geplant Ende Juni fortgeführt werden, gibt es eine Handhabe, um Erdogan zur Vernunft zu bringen. Geht der Kontakt zur Türkei hingegen verloren, riskiert man das Abdriften eines Landes, das unter einem immer autoritärer agierenden Regierungschef mit undurchsichtigen Machtfantasien leidet. Kurzum: Das Thema ist zu brenzlig, um es den Gesetzen des Wahlkampfes unterzuordnen. Dessen sollte sich eigentlich auch Herr Seehofer bewusst sein.
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