Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zur Vergabe des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels: An Wunden rühren von Susanne Wiedamann
Regensburg (ots)
Swetlana Alexijewitsch beherrscht eine Kunst, die in unserer Zeit eher in Vergessenheit zu geraten droht: Sie hört zu, sie fragt nach, sie legt den Finger in offene Wunden - und sie gibt denen eine Stimme, die Regime mit wenig demokratischen Ambitionen oder auch ganz offen totalitären Systemen am liebsten verstummen lassen wollen. Die Opfer staatlicher Gewalt sollen schweigen. Die durch politischen Missbrauch - und Fehlentscheidungen der Machthaber, die in Katastrophen wie Tschernobyl münden - Geschädigten sollen unsichtbar sein, nicht wahrnehmbar. Doch die Weißrussin Alexijewitsch tut genau das: Sie rückt die Opfer ins Licht und formt aus ihren Stimmen Anklagen, die nicht zu überhören sind. Dafür steht Alexijewitsch in Weißrussland unter steter Beobachtung. Ihre Bücher sind dort verboten. Viele Jahre verbrachte sie im Exil, bevor sie nach Minsk zurückkehrte, um dort weiter zu schreiben und zu offenbaren. Für die Opposition in Weißrussland ist der Friedenspreis für Alexijewitsch eine ersehnte Unterstützung, für uns alle aber eine wichtige Mahnung, Augen und Ohren offen zu halten und couragiert für Schwache und Verfolgte einzutreten.
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