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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum EU-Gipfel: Kleinliches Geschacher von Hanna Vauchelle

Regensburg (ots)

Londons Starrköpfigkeit wirft einen großen Schatten auf den Gipfel.

Chaotische Rettungsaktionen, Dauer-Streit, Bürokratieberge - wenn in der EU alles drunter und drüber geht, kann man sich dennoch einer Sache sicher sein: London bleibt London. Dass Briten-Premier David Cameron seine Sichtweise auf die Union wohl nie ändern wird, stellte er wieder unter Beweis. Die EU ist für ihn ein leidiges Übel, das höchstens dazu gut ist, möglichst viel Geld herauszuschlagen. Mit dieser Haltung hätte er beim Gipfel beinahe den zuvor mühsam errungenen Haushaltsdeal wieder zum Platzen gebracht. Dabei wollten die EU-Partner nichts anderes als ein Signal der Geschlossenheit aussenden. Das hat Cameron ihnen verdorben. Es sollte ein Gipfel der Harmonie und Entschlossenheit werden. Angesichts der desolaten Lage auf dem europäischen Jobmarkt für Jugendliche ging es den EU-Spitzen darum, Flagge zu zeigen. Lange genug hat es gedauert, bis die sechs Milliarden Euro Hilfen für Förderprogramme auf den Weg gebracht werden konnten. Dafür rauften sich am Donnerstagmorgen sogar das Europaparlament und die Mitgliedsstaaten zusammen. Beide Seiten waren zu Abstrichen bereit und gingen am Ende aufeinander zu. Schön, wenn Europa immer so kooperativ funktionieren könnte. Durch diese Einigung war es gelungen, den Staats- und Regierungschefs Platz auf der großen EU-Bühne zu machen. Sie konnten und sollten sich nun als Macher profilieren, die den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit aufnehmen. Aber wieder einmal belasteten kleinliche nationale Interessen den Gipfel. Dass Großbritannien nun sogar einen Zuschlag auf seinen bereits gewährten Rabatt bekommen soll, ist unverständlich und zementiert das altbekannte Bild: In der EU wird wie auf dem Basar geschachert. Dem Image der Union ist das sicher nicht zuträglich - und angesichts der drängenden Probleme in Europa völlig deplatziert. Cameron hat einen weiteren Beweis dafür geliefert, dass es um das europäische Projekt nicht zum Besten bestellt ist. Längst geben die Hauptstädte den Ton an, Brüssel hat hingegen immer weniger zu melden. Ob der EU-Ratschef oder der Kommissionspräsident, sie alle ordnen sich widerspruchslos dem Willen der Mitgliedsstaaten unter. Sprachrohre sind Cameron und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. So durfte Ratschef Herman Van Rompuy beim Gipfel lediglich eine Bilanz der bisher geleisteten Euroraum-Reformschritte ziehen. Neue Entscheidungen wurden auf Druck Merkels auf den Herbst vertagt. Und auch Kommissionspräsident José Manuel Barroso spielt im EU-Konzert höchstens noch die zweite Geige. Momentan nimmt ihn ein irrwitziger Schlagabtausch mit der französischen Presse in Beschlag. Da ist es für die Bundeskanzlerin nicht schwer, dem Portugiesen in die Parade zu fahren. Für nächste Woche hat sie die EU-Partner nach Berlin zum Job-Gipfel für Europas Jugendliche eingeladen. Das Rampenlicht dürfte der Kanzlerin dabei sicher sein. Allein man fragt sich, wozu nun diese zweite Konferenz zum gleichen Thema? Hätte man die Beschlüsse nicht auch schon gestern in Brüssel treffen können? Nicht einmal Martin Schulz, der sonst so streitbare Parlamentspräsident, begehrt gegen den schleichenden Machtverlust noch auf. Dabei käme der Kammer eine entscheidende Rolle als Korrektiv zu. Doch bei den Ad-hoc-Verhandlungen zum Finanzrahmen musste Schulz klein beigeben und darf sich nun auf den Zorn seiner Abgeordneten gefasst machen. Europa kommt derzeit nicht über das nationale Geplänkel der Mitgliedsstaaten hinaus. Die Quittung dafür dürfte es bei den Europawahlen geben. Wenn die Wahlbeteiligung erneut absinkt, wird der Katzenjammer in den Hauptstädten groß sein.

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