Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Einfluss der EU auf die arabische Welt: Bewährungstest für Europa von Hanna Vauchelle
Regensburg (ots)
Der Einfluss der EU auf die arabischen Staaten war bislang gering. Das könnte sich nun ändern.
Auf dem glitschigen EU-Parkett erfährt Catherine Ashton oft Spott und Häme. Sie verfüge über keinerlei diplomatische Erfahrung und habe den Posten der EU-Außenbeauftragten nur aus Proporz-Gründen bekommen. Was unter den hauptsächlich männlichen Brüsseler Diplomaten getuschelt wird, beeindruckt ausgerechnet in der arabischen Welt niemanden. Dort hat sich Ashton mit ihrer leisen Art einen Namen als gute Verhandlerin gemacht. In Ägypten profitiert sie nun davon. Als einzige ausländische Vermittlerin hat die Britin Zugang zu allen politischen Kräften - es ist eine Herausforderung und zugleich eine Chance für die EU. Ägypten, Tunesien und vor allem das Bürgerkriegsland Syrien: Die Umbrüche in der arabischen Welt haben Europa aufgeschreckt. Seit Beginn der Revolten tut man sich schwer mit einem gemeinsamen Vorgehen. Dabei hätte der Grundstein dafür im Rahmen der Mittelmeerpolitik gelegt werden sollen. Doch die vom damaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy mit viel Pomp eingeweihte Mittelmeer-Union ist tot. Von Anfang an kam das Projekt aufgrund von Streitigkeiten unter den Anrainern nicht in die Gänge. Dieser Misserfolg fiel auf die EU zurück: Der Einfluss auf die Konfliktparteien in den arabischen Staaten war bisher verschwindend gering. Die Mitgliedsstaaten haben sich in den vergangenen Jahren selbst viel zu zerstritten präsentiert. Von einer gemeinsamen Außenpolitik konnte keine Rede sein. Doch das könnte sich nun mit Catherine Ashtons Auftritt in Ägypten ändern. Gelingt es der EU dort zur Entspannung der Lage beizutragen oder gar einen Bürgerkrieg zu verhindern, wird sie endlich ganz oben mitspielen. Die Gemeinschaft hätte ihren angestrebten Platz als politischer Akteur im globalen Wettlauf mit den USA. Doch diese Bewährungsprobe muss erst noch bestanden werden. In Ägypten ist Catherine Ashtons Ruf als Vermittlerin Europas einziger Trumpf. Denn über ein wirkliches Drohmittel, mit dem die Streitparteien an einen Verhandlungstisch gezwungen werden können, verfügen die 28 Staaten nicht. Während die USA versuchen, das ägyptische Militär durch Einfrieren von Kriegsgerät-Lieferungen zum Einlenken zu bringen, bleibt den Europäern nur die Waffe des Wortes. Dabei ist Ashtons stille Diplomatie in der aktuellen Krise umso wichtiger. Schließlich war es die ägyptische Übergangsregierung selbst, welche um die Hilfe der Außenbeauftragten gebeten hat. Das ist schon ein Erfolg. Die viel gescholtene europäische Außenpolitik ist seit Beginn des arabischen Frühlings gereift. Und dennoch wirft sich die Union immer wieder selbst Steine in den Weg. Das liegt nicht nur am immer noch im Aufbau befindlichen Auswärtigen Dienst der EU, sondern auch am Selbstverständnis der großen Mitgliedsstaaten. So haben Großbritannien und Frankreich immer noch ein Problem damit, sich in der Gemeinschaft unterzuordnen. Der interne Streit der EU über Waffenlieferungen an die syrischen Rebellen war nur das jüngste Beispiel. Und in Mali griff Paris gleich auf eigene Faust ein. Nicht weniger problematisch ist das Vorgehen Deutschlands. Ausgerechnet Europas Schwergewicht hält sich vornehm aus allem heraus, was ein größeres Engagement mit sich bringen könnte. Europas Einsatz als Vermittlerin in Ägypten ist deshalb auch für die Gemeinschaft eine große Chance. Denn dieses Mal stehen die Mitgliedsländer geschlossen hinter den Bemühungen. Daraus muss nun ein strategischer Konsens erwachsen. Wenn es um die großen Fragen der Weltpolitik geht, muss die EU Antworten parat haben.
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