Mittelbayerische Zeitung: "Mittelbayerische Zeitung" (Regensburg) zu Doping
Regensburg (ots)
von Heinz Gläser, MZ
Wirklich überraschend sind diese Erkenntnisse nicht. Vergegenwärtigt man sich die Situation während des Kalten Krieges, dann lag schon immer der Verdacht nahe, dass im erbitterten Kampf der (Sport-)Systeme die gezielte Muskelmast auch im Westen zum Standardrepertoire zählte. Schließlich wollte man all die prestige- und profitträchtigen Medaillen den fiesen Staatsamateuren von jenseits des Eisernen Vorhangs nicht kampflos überlassen. Wirklich überraschend ist hingegen, dass nun auch für die gute, alte Bundesrepublik die Umrisse eines Staatsdopingprogramms erkennbar werden - gebilligt und angeschoben auf höchster politischer Ebene, finanziert aus Steuermitteln und umgesetzt von skrupellosen Sportmedizinern. Die Mär von den in der Regel sauber erbrachten Leistungen idealistischer West-Athleten ist Geschichte, auch wenn es sich verbietet, einen Generalverdacht zu formulieren. Geradezu skandalös ist, wie lange sich der organisierte Sport hierzulande um die Aufarbeitung dieses Aspekts herumgedrückt hat - und offensichtlich immer noch herumdrückt. Während nach der Wende alle Ecken des DDR-Sports penibel ausgeleuchtet wurden, unterblieb dies für den Westen. Auch die aktuelle Studie fasst man lieber mit spitzen Fingern an, und lange hatte man den Eindruck, das Werk sollte am besten in einer Schublade verschwinden und das Projekt der Vergessenheit anheimfallen. Dafür ist es nun zu spät. Nun muss alles auf den Tisch! Das betrifft auch die Jahre nach der Wiedervereinigung, für die eine wissenschaftliche Untersuchung noch aussteht.
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