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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Wahlkampf in Bayern
Politischer Gillamoos in Abensberg
Seehofer

Regensburg (ots)

Duell aus Festzeltdistanz

In zwei Wochen entscheidet Bayern über die nächste Regierung - der Gillamoos gab Entscheidungshilfe

Der Gillamoos ist pulsierende Demokratie. Der politische Montag in allen Festzelten war wieder unverzichtbarer Höhepunkt, nicht lästiges Pflichtprogramm. Wo sonst unterwerfen sich hohe Politiker zeitgleich im 500-Meter-Radius einem Direktvergleich? Und selbst im politikerfreien Kabarettistenzelt drehte sich alles nur um Politik. Profis unter den Besuchern gelang der Rundtrip von Zelt zu Zelt in 120 Minuten. Es ist eine Kombination aus echtem politischen Interesse und Tradition, die den Gillamoos einzigartig macht. Politischer Aschermittwoch, Derblecken bei der Nockherberg-Starkbierprobe und Maibockanstich im Münchner Hofbräuhaus sind dagegen nur schöne Folklore. Das gilt gerade im bayerischen Wahlherbst der großen Chancen, der zu Hoffnungen beflügelt, doch auch den Keim des Scheiterns in sich trägt. Dieses Flirrende war beim Gillamoos zu spüren. Für CSU-Chef Horst Seehofer geht es um die Rückeroberung der absoluten Mehrheit oder weiteren fünf Jahren in einer Koalition - mit welchem Partner auch immer. Der "worst case", der Wechsel auf die Oppositionsbank, hat nur theoretischen Charakter. SPD-Spitzenkandidat Christian Ude sehnt weiter mit tapferer Kraft den historischen Wechsel herbei - ein Fehlschlag würde seine Partei in langanhaltende Depression stürzen. Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger kostet den Status des Umworbenen aus, der ihm viel Platz für Kapriolen lässt. Die Rechnung wird ihm erst präsentiert werden, wenn er nach dem Wahltag von niemanden als Koalitionspartner gebraucht werden sollte. Für die FDP entscheidet die Fünf-Prozent-Hürde über Wohl und Wehe - jenseits der öffentlichen Bekundungen ist die Nervosität greifbar. Einzig die Grünen sind auf jeden Fall auf der Gewinnerseite: Sie steuern in Bayern auf das beste Ergebnis ihrer Parteigeschichte zu. Ohne Regierungswechsel aber wäre das nicht der volle Triumph. Mag der Wahlkampf ansonsten dahinplätschern - beim Gillamoos ist duellieren aus kurzer Festzeltdistanz angesagt: Schwarz-Gelb und Rot-Grün präsentierten im Kräftemessen unterschiedliche Politikentwürfe und Gesellschaftskonzepte. Wie und wo wird gespart? Was ist das Schulmodell der Zukunft? Wie gelingt soziale Gerechtigkeit? Wo endet Solidarität? Was ist wirtschaftlicher Fortschritt? Was braucht eine moderne Infrastruktur? Es sind die eigentlichen Fragen, die in den vergangenen Wochen zu oft in den Hintergrund rückten und von Themen mit hohem Erregungspotenzial verdrängt wurden: Renate Künasts Vorschlag eines grünen Veggie-Days - als ob nächste Woche in Bayern die Leberkässemmel abgeschafft werden sollen. Die Juso-Postkartenaktion gegen Uli Hoeneß - als ob der Schuss nicht ohnehin nach hinten losgegangen wäre. Horst Seehofers "Raus aus Bayern"-Spruch über forsche WDR-Journalisten - als ob gerade am Weißwurstäquator eine Mauer hochgezogen würde. Um nicht missverstanden zu werden: Alles lässt sich mit Recht kritisieren, doch es geht auch mit niedrigerer Drehzahl. Zwei Wochen vor dem Wahltag in Bayern zielen die Parteien auf die noch Unentschlossenen. Wechselstimmung ist aber weiter wenig zu spüren. Ude will die Situation beim Fernsehduell mit Seehofer am Mittwochabend im Bayerischen Fernsehen zu seinen Gunsten drehen. Es wird interessant, wie sich die beiden Politikprofis umkreisen. Seehofer bot bisher kaum Angriffsfläche und nahm den Namen seines Kontrahenten kaum in den Mund. Am Tag nach dem bayerischen Duell wird wie nach dem Kräftemessen zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Herausforderer Peer Steinbrück analysiert und bewertet werden. Entscheidend ist am Ende hoffentlich nicht die hübscheste Krawatte, die Länge der Redepausen oder ob verschränkte Arme ein Zeichen für zu große Zugeknöpftheit sind. Am 15. September geht es darum, wer Bayern am besten in die Zukunft steuern kann. Wer auf dem Gillamoos gut zuhörte, fand darauf bereits am Montag seine Antwort.

Von Christine Schröpf, MZ

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