Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur letzten Bundestagsdebatte vor der Wahl: "Duell mit interessanten Zwischentönen" von Reinhard Zweigler
Regensburg (ots)
Es war das wahrscheinlich letzte direkte Aufeinandertreffen der erfolgsverwöhnten, aber bodenständigen Kanzlerin Angela Merkel und ihrem bislang recht glücklosen SPD-Herausforderer Peer Steinbrück. Die Haushaltsdebatte im Bundestag bot die Bühne für wahlkämpferische Auftritte der beiden Matadoren und der kleineren Fraktionen. Nach einem eher langweiligen TV-Duell mit einem freilich angriffslustigen Steinbrück und einer eher präsidialen Kanzlerin die letzte Möglichkeit, es der anderen Seite mal so richtig zu zeigen. Man könnte die Veranstaltung auch schwarz-gelbes Rosarot gegen rot-grüne-rote Schwarzmalerei nennen. Dass Merkel dabei eine großartige Bilanz nach vier schwarz-gelben Regierungsjahren herausstreicht, gehört zum Pflichtprogramm einer Kanzlerin. Zumal wenn die nach Fortsetzung ihres Regierungsjobs drängt. Dass sie dafür von der SPD und der restlichen Opposition madig gemacht wird, die ihr vier Jahre des Stillstands, der Ideenlosigkeit, des Zauderns und so weiter und so fort ankreiden, zählt ebenfalls zum üblichen Ritual. Geschenkt. Solche Veranstaltungen dienen offenbar auch eher dazu, die eigenen Leute zu bestärken. Interessanter ist vor dieser rhetorischen Nebelwand schon die tiefe Verstimmung, die gestern die SPD befallen hat, weil Merkel die Genossen als europapolitisch unzuverlässig geißelte. Und dies nicht im Plenum, sondern in einem Interview, das noch gar nicht gesendet worden war. Der Frust der Sozialdemokraten ist verständlich, denn sie haben vier Jahre lang sämtliche Euro-Rettungspakete und -Rettungsschirme brav mitgetragen. Dass Merkel ihnen diese europa- und staatstragende Treue nun nicht lohnt, wo sie ohne die Stimmen der Genossen einige Male im Bundestag Schiffbruch erlitten hätte, könnte sich noch einmal als Belastung erweisen. Sollte es nach dem 22. September doch eine große Koalition geben müssen. Überhaupt wird eine solche Großkoalition, wie es sie von 2005 bis 2009 bereits unter Merkel gab, von den Sozialdemokraten gefürchtet, wie der Teufel das Weihwasser. Kanzlerkandidat Steinbrück hat sich für eine solche Konstellation bereits vorsorglich vom Acker gemacht. Ohne mich. Dann blieben als Protagonisten nur noch Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier. Dem eher linken SPD-Chef ist ein nochmaliges Mit-Regieren unter Merkel so angenehm wie Zahnschmerzen. Er würde sich wohl kaum wieder in Regierungsdisziplin einbinden lassen, sondern müsste die Partei zusammenhalten. Steinmeier scheint dagegen eher dafür prädestiniert, noch einmal Deutschlands obersten Diplomaten zu geben. Auch, weil der jetzige Außenminister ein ziemlicher Ausfall ist. Siehe Syrien. Die Union indes muss nicht nur um den Koalitionspartner FDP bangen - in Bayern und im Bund -, sondern erst einmal den Hauskrach in Sachen Pkw-Maut befrieden. Und zwar derart, dass er sich im Freistaat zugunsten der CSU niederschlägt und auf der Bundesebene nicht Merkel und der CDU schadet. Horst Seehofers trotziges Beharren auf der Autobahn-Benutzungsgebühr nur für Ausländer, die europarechtlich zumindest Fragen aufwirft, zeigt, dass dieses Thema einfach ausgesessen wird bis nach den Wahlen.
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