Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zum Münchner Sensationsfund: Kunstsumpf, von Reinhold Willfurth
Regensburg (ots)
Der Kunsthändler Hildebrand Gurlitt hat die von den Nazis verfemte Kunst nicht nur deshalb gehortet, um sie zu Geld zu machen, er hieß ja nicht Hermann Göring. Gurlitt wusste auch um den künstlerischen Wert der Noldes, Kokoschkas, der Marcs und Picassos. Dass sein Sohn offenbar jahrzehntelang über dieses lukrative wie dubiose Erbe nach Gutdünken und Kassenlage verfügen konnte, zeigt, dass das Unrechtsregime der Nationalsozialisten noch immer nicht ganz aufgearbeitet ist. 78 Jahre nach dessen Ende wäre es aber höchste Zeit dafür. Fragt sich nur, wie Gerechtigkeit in den Handel mit enteigneter oder geraubter Kunst einziehen soll, wenn sich Galerien und Auktionshäuser in der Kunst des Wegsehens üben statt stutzig zu werden, sollte ihnen ein verdächtiges Bild angeboten werden, das seit der Nazi-Barbarei als "verschollen" galt. Nicht einmal staatliche Museen und Archive sind ganz vor der Versuchung gefeit, lieber nicht so genau nach der Herkunft eines lange begehrten Stücks zu fragen. Obwohl die Vorgaben klar sind, taucht auch dort immer wieder Raub- und Beutekunst auf. Auf die Limbach-Kommission der Bundesregierung, die bei geraubtem Kulturgut faire Lösungen mit den Erben der einstigen Opfer anstrebt, kommt in nächster Zeit eine Menge Arbeit zu. Denn der Fall zeigt auch, dass man hier mit Gesetzesparagrafen nicht weit kommt. Wer dabei um die Rechtssicherheit fürchtet, der sei beruhigt: Den Vorsitz der Kommission hat eine ehemalige Verfassungsrichterin.
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