Mittelbayerische Zeitung: Obama steht im Wort
Amerika hat es in der Hand, den Atomstreit mit dem Iran zu entschärfen. Doch nur ein Weg führt zum Ziel. Von Thomas Spang, MZ
Regensburg (ots)
Die Sorge der Israelis über einen nuklear bewaffneten Iran ist mehr als berechtigt. Teheran erkennt bis heute das Existenzrecht des jüdischen Staates nicht an. Die Mullahs drohen in ihrer offiziellen Propaganda weiter mit der Zerstörung Israels. Die gefährlichste Massenvernichtungswaffe in den Händen eines solchen Regimes muss ein Land beunruhigen, für dessen Einwohner der Holocaust mehr als ein historisches Ereignis ist. So verständlich das Misstrauen gegenüber den Absichten des Iran bleibt, so unangemessen erscheint dagegen die Stimmungsmache, mit der Benjamin Netanyahu versucht, ein Zwischenabkommen bei den 5+1-Gesprächen in Genf zu unterminieren. Zu suggerieren, die Verhandlungsparteien "schenkten" dem Gottesstaat die Atombombe, ist ebenso eine Übertreibung wie die Warnung vor iranischen Raketen, die sich eines Tages auch auf deutsche oder amerikanische Städte richten könnten. Es finden sich nur wenige Experten, die diese Einschätzung teilen. Bibi erweist sich damit einen Bärendienst, weil er eine Einigung letztlich nicht verhindern kann. Gleichzeitig aber untergräbt er mit der sehr öffentlichen Kritik das Vertrauen seines wichtigsten Bündnispartners. US-Präsident Barack Obama sollte sich nicht davon abbringen lassen, die neue Führung in Teheran mit dem Zwischenabkommen auf die Probe zu stellen. Der angestrebte Druck auf den Pausenknopf täte genau das. Er verschaffte den Beteiligten ein halbes Jahr Spielraum, eine umfassende Einigung im Atomstreit auszuhandeln. Dann wird sich zeigen, ob die neue Führung in Iran bloß einen anderen Stil versucht oder auch in der Substanz zu besseren Einsichten gelangt ist. Die Alternative zu dem diplomatischen Zwischenschritt wäre eine Spirale, die fast zwangsläufig in einen militärischen Konflikt mündete. Obama verbliebe ohne das Einfrieren des Status Quo nicht mehr viel Zeit, Iran daran zu hindern, eine Atombombe zu bauen. Die Mullahs haben eine Generation neuer Zentrifugen zur Urananreicherung im Lager, die sie jederzeit in Betrieb nehmen können. Bis zur Bombe bliebe es von da aus nur noch ein kleiner Schritt. US-Präsident Obama steht im Wort, dies zu verhindern. Der einzige Weg, sein Versprechen zu halten, ohne einen neuen Nahostkrieg zu riskieren, ist ein Durchbruch bei den Atomverhandlungen. Was das genau bedeutet, beschreibt im Kern den Interessenkonflikt zwischen Israel und den USA. Dieser geht weit über die persönlichen Animositäten der beiden ungleichen Führer hinaus. Den Amerikanern geht es darum, die nuklearen Kapazitäten des Iran soweit unter Kontrolle zu halten, dass jeder Versuch eine Atomwaffe zu bauen, rechtzeitig genug entdeckt werden könnte. Für Netanyahu ist das nicht genug. Er hält es für nicht akzeptabel, dass Iran über das Wissen und die Fähigkeit verfügt, sich in Zukunft nuklear zu bewaffnen. Weil es keine Einigkeit bei der Frage gibt, wohin die Reise gehen soll, gibt es auch keine gemeinsame Marschrichtung. Statt die Position der P5+1-Unterhändler in Genf zu schwächen täte der israelische Ministerpräsident gut daran, hinter den Kulissen an den Bedingungen für eine diplomatische Lösung des Atomstreits zu arbeiten. Dazu gehören in letzter Instanz klare und überprüfbare Vorgaben bei der Urananreicherung sowie der Nichtweiterbau des Plutonium-Kraftwerks im iranischen Arak. Verständlicherweise reagiert das Weiße Haus zunehmend verschnupft auf das Verhalten des israelischen Ministerpräsidenten. Zumal es Netanyahu nicht bei einer PR-Offensive in den Medien belässt, sondern sich einmal mehr in die inneren Angelegenheiten der USA einmischt. Mit Hilfe der Israel-Lobby AIPAC bearbeitet seine Regierung Senatoren und Kongress-Abgeordnete, kurzfristig neue Sanktionen gegen Iran zu beschließen. Weise kann Netanyahus Sabotage-Taktik nicht sein, da Israel am Ende auf die Supermacht und deren Präsidenten angewiesen bleibt. Er hat keinen besseren Verbündeten.
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