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Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu Sotschi/IOC

Regensburg (ots)

von Heinz Gläser, MZ

Gottlob blieb der deutschen Mannschaft dieser kapitale Fehlstart erspart. Olympische Winterspiele sind nicht die geeignete Bühne, um interne Vergangenheitsbewältigung zu betreiben. Insofern war die Idee abwegig, Claudia Pechstein als Fahnenträgerin zur Eröffnungsfeier in Sotschi zu entsenden. Der (Doping-?)Fall der 41 Jahre alten Eisschnellläuferin ist ohnehin auf der Ebene einer Glaubensfrage anzusiedeln. Sollte sich im deutschen Sport die Ansicht durchsetzen, dass der Berlinerin himmelschreiendes Unrecht widerfahren ist, dann gibt es Mittel und Wege, sie vollständig zu rehabilitieren. Eine in allen sportrechtlichen Instanzen verurteilte Athletin ins Scheinwerferlicht der globalen Öffentlichkeit zu zerren und quasi auszustellen, hätte gewiss nicht dazu gezählt. Nun beginnen sie also, Wladimir Putins Spiele der Superlative. Sotschi zieht alle Register - und weiterhin jede Menge Kritik auf sich. Mehr als 200 Autoren aus aller Welt, darunter die Literaturnobelpreisträger Günter Grass, Elfriede Jelinek und Orhan Pamuk, geißeln in einem offenen Brief pünktlich zur Eröffnung die Demokratiedefizite im autokratisch regierten Russland. Die Liste der Beanstandungen ist ellenlang, sie reicht vom Anti-Homosexuellen-Gesetze im größten Land der Erde über die Selbstbedienungsmentalität von mächtigen Oligarchen und korrupten Beamten bis hin zur Umweltzerstörung. Die Kleinigkeit von 37,5 Milliarden Euro lässt sich Zar Wladimir sein Spektakel kosten. Damit stellt er sogar die gigantische Pekinger Propaganda-Show anno 2008 in den Schatten. Es sind die Geister, die das IOC rief - und das Internationale Olympische Komitee wird sie so leicht nicht mehr los. Um die Jahrtausendwende hatte der elitäre Zirkel im Lichte etlicher Skandale eine neue Bescheidenheit ausgerufen. Dieses Postulat wurde indes nie mit Leben erfüllt, ganz im Gegenteil. Einige wenige gingen damals den hehren Worten auf den Leim. Der deutsche Sport nahm die obersten Olympier groteskerweise beim Wort und schickte Leipzig ins von vorneherein aussichtslose Rennen um die Sommerspiele 2012. Ganz so beschaulich stellten es sich die IOC-Granden dann doch nicht vor. Aber nur mal zur Erinnerung: Vor gut drei Jahrzehnten gingen Winterspiele noch in einer abgelegenen US-Kleinstadt namens Lake Placid über die Bühne, pannenfrei und stimmungsvoll. Größer, teurer, protziger - das ist der aktuelle olympische Dreiklang. Glaubt man den Ankündigungen des neuen IOC-Chefs Thomas Bach, dann soll die Schraube nun wieder zurückgedreht werden. Die Botschaft hört man wohl. Allein, das Beharrungsvermögen im IOC dürfte ähnlich ausgeprägt sein wie im Vatikan. Olympische Spiele sind zu einer Sache des Renommees geworden, da greifen ambitionierte Schwellenländer und autoritäre Regime gerne zu. Im Dauerzwist um die WM 2022 in Katar geht ja bisweilen unter, dass Russland (speziell Putin) ein sportlicher Doppelschlag gelungen ist - ählich wie Brasilien 2014 und 2016. In vier Jahren beherbergt das Riesenreich das Hochamt des Fußballs, und dass dann erneut geklotzt und nicht gekleckert wird, steht außer Frage. Warum man sich trotz allem auf die Wettkämpfe in Sotschi freuen darf? Weil die Spiele packenden Sport versprechen und deutsche Athleten dabei gut zwei Wochen lang eine Hauptrolle spielen werden. Medaillenziele, wie sie jetzt wieder ausgegeben und heiß diskutiert werden, sind dabei Kokolores. An einer guten Platzierung im umstrittenen Nationen-Ranking mögen sich jene ergötzen, denen es bei Olympischen Spielen ums eigene Prestige geht. Wladimir Putin etwa...

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