Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu Delfinarien: Irrational - aber richtig, von Claudia Bockholt
Regensburg (ots)
Die Liebe ist leider eine irrationale Sache, weshalb wohl auch die Liebe des Menschen zum Tier auf ewig widersprüchlich bleibt. Warum stehen engagierte Tierschützer heute mit Protestplakaten vor dem Nürnberger Delfinarium - anstatt sich an die Tore der riesigen Fleischfabriken im Lande zu ketten, in denen jährlich Millionen Schweine am Fließband getötet werden. Weil es niemals eine weltweit beliebte US-Fernsehserie mit einem schlauen, freundlichen Hausschwein in der Hauptrolle gab? Warum bloß wird Zeter und Mordio geschrien, wenn eine Zoo-Giraffe geschlachtet und an die Raubtiere im Gehege nebenan verfüttert wird? Denkt irgendjemand, dass Löwen normalerweise nur Möhrchen knabbern? Und trotzdem: Der wiederkehrende Protest der Tierschützer ist richtig. Delfinarien sind das Relikt einer Zeit, in der sich der Mensch die Erde noch völlig bedenken- und skrupellos Untertan gemacht hat. Als noch Gift in Flüsse geleitet, DDT auf Felder ausgebracht, Kohlendioxid und Dreck in unvorstellbaren Mengen aus Fabrikschloten und Kraftwerken in die Luft gepustet wurden. Heute wissen wir vieles besser - und sollten nicht mehr begeistert in die Hände klatschen, wenn dressierte Tiere für uns durch bunte Reifen springen. Die Argumentation des Nürnberger Tiergartendirektors überzeugt nicht: Man müsse beim Menschen Begeisterung für ein Tier auslösen, damit er ein Bewusstsein für die Probleme der Tiere in freier Wildbahn bekomme, sagt Dag Encke. Muss man das Tier dafür einsperren? Starke Emotionen kann auch eine 3D-Dokumentation über die fantastische Unterwasserwelt auslösen. Kinder können im Kino Seite an Seite mit Delfinen durch die Weltmeere tauchen und lernen, was "Flipper" braucht, damit es ihm gut geht. Ein Delfinarium ist es sicher nicht.
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