Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur Fußball-WM: Tore, Typen und Tragödien von Jürgen Scharf
Regensburg (ots)
Sportliche Großereignisse sind während ihrer Organisation mittlerweile so beliebt wie der Teufel in der Kirche. Egal ob Olympia oder Fußball-Weltmeisterschaft - wegen der Milliarden an Steuergeldern, die für die Infrastruktur verbaut werden, gibt es stets Proteste ohne Ende. Da der teure Gigantismus zu Recht verurteilt werden kann, wird aber bisweilen vergessen, um was es ursprünglich eigentlich geht: um Sport. Die Fußball-WM in Brasilien zeigt zum Glück, wie wunderbar es sein kann, wenn sich junge Menschen treffen und sich im sportlichen Wettkampf miteinander messen. Zwei Wochen lang haben in Brasilien 32 Mannschaften in der Vorrunde auf dem Fußballplatz gekämpft. Eine Hälfte muss jetzt nach Hause fahren. Doch auch die Spieler dieser Teams können stolz darauf sein, ihren Teil beigetragen zu haben, dass die Faszination des Fußballs immer noch die Fans in aller Welt in Massen vor die Fernseher zwingt. Das Angebot ist ja auch nicht schlecht. In den bisherigen 46 Partien wurde Tore, Typen und Tragödien in Serie geboten. Tore wie das des Holländers Robin van Persie gegen Spanien. Mit einem Flugkopfball von vollendeter Schönheit traf er gegen den amtierenden Weltmeister zum Ausgleich. Am Ende gewannen seine Holländer das ohnehin denkwürdige Spiel mit 4:1. Typen wie Mexikos Trainer Miguel Herrera. Ein Mann wie ein Baum, der mit seinen Explosionen an der Seitenlinie schon so manchen Spieler der gegnerischen Mannschaft eingeschüchtert hat. Ganz nebenbei hat Herrera aber auch tolles taktisches Geschick und sogar Gastgeber Brasilien an der Rand einer Niederlage gebracht. Typen wie Luis Suarez, der quasi beide Seiten des Fußball-Mondes gezeigt hat. Die helle mit seinen unwiderstehlichen Antritten und seinen spektakulären Toren. Die dunkle mit seinem Biss in die Schulter des Italieners Giorgio Chiellini. Zudem gab es sportliche Tragödien wie die des Weltfußballers Cristiano Ronaldo. Der trug die Hoffnungen von ganz Fußball-Portugal auf seinen Schultern - und brach darunter zusammen. Saft- und kraftlos schleppte er sich in seinen drei Spielen über den Rasen und schied mit seinem Team aus. Das alles ist der Fußball. Die Vorrunde der WM in Brasilien hat eindrucksvoll gezeigt, welche breite Palette dieser wunderbare Sport zu bieten hat. Und die Vorrunde hat auch gezeigt, wie ernst die Fußballer selbst eine Weltmeisterschaft noch nehmen. Ihr Geld verdienen sie bei den Klubs, in Brasilien geht es aber um den Einzug in die Geschichtsbücher. Beim großen Lionel Messi ging die Anspannung soweit, dass er sich während (!) der Vorbereitungsspiele auf die WM mehrmals übergab. Umso mehr dürfte es wohl jeden Fußball-Fan in dieser Welt freuen, zu sehen, was für ein kindliches, überglückliches Lächeln auf Messis Gesicht nach seinen beiden Toren gegen Nigeria zu sehen war. Neben den individuellen Auftritten der Fußballer und ihrer Mannschaften reizt an einer Weltmeisterschaft stets auch der Vergleich der Kontinente. Hier dürfen sich vorerst alle Mahner, die speziell den europäischen Mannschaften in der Schwüle Brasiliens im Vorfeld des Turniers wenig Chancen einräumten, bestätigt fühlen. Große Fußball-Nationen wie Spanien, Italien, Portugal oder England wurden in der Vorrunde gnadenlos aussortiert. Die südamerikanischen Teams marschierten derweil zumeist wie aufgedreht ins Achtelfinale. Doch egal ob Südamerikaner, Afrikaner oder Europäer, sicher ist: Das Beste kommt noch. Nun beginnen die Spiele um alles oder nichts. Die sind der Hauptgang einer Fußball-WM - und zudem so wunderbar unkompliziert. Ab jetzt gibt es keine Rechenspiele mehr. Wer Weltmeister werden will, muss noch vier Spiele gewinnen - so einfach ist das.
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