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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Obamas Irak-Politik

Regensburg (ots)

von Thomas Spang, MZ

Hillary Clinton lag schon einmal daneben. In ihrem Buch "Hard Choices" gibt sie zu, ihre Zustimmung zu George W. Bushs Krieg in Irak 2002 sei ein Fehler gewesen. Das sahen auch die Wähler so, die sie bei den Vorwahlen der Demokraten als Kandidatin für das Weiße Haus zurückwiesen. Stattdessen schickten sie Obama ins Rennen, der Bushs Feldzug gegen Saddam Hussein von Anfang an als "dumm" bezeichnet hatte. Auch mit ihrer neuerlichen Kritik am Präsidenten schießt Clinton am Ziel vorbei. Dass eine frühere Bewaffnung des syrischen Widerstands gegen Diktator Assad den Aufstieg der IS-Milizen verhindert hätte, klingt gut, macht aber wenig Sinn. Es gab in Syrien schlicht nicht genügend "moderate" Kräfte, die gegen die bestens ausgebildeten Streitkräfte eines Staates in Stellung gebracht werden konnten. Zudem bestand die Gefahr, dass Waffenlieferungen an die "Free Syrian Army" in die falschen Hände geraten wären. Wie auch US-Luftangriffe auf syrische Truppen oder Schutzkorridore vermutlich am meisten den Terrorbrigaden des Kalifats geholfen hätten. Im Unterschied zu den gemäßigten Oppositionellen in Syrien stützen die IS-Dschihadisten ihre militärische Kraft nach Erkenntnissen der Geheimdienste auf die Erfahrung abgetauchter Offiziere des ehemaligen irakischen Diktators Saddam Hussein. Ihre Kämpfer rekrutierten sie aus sunnitischen Stämmen, die auf beiden Seiten der Grenze leben und sich von den Schiiten unterdrückt fühlten. In Syrien von der Assad-Regierung, die ein enger Verbündeter Irans ist. Mehr noch aber von der ausgrenzenden Politik des irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki. Sympathisanten in Saudi Arabien und anderen Golfstaaten rüsteten die extremistischen Glaubensbrüder mit Waffen aus, während aus dem Irak ein reicher Geldstrom durch ein Mafia-ähnliches Schutzgeldsystem fließt. Wie weit die IS-Miliz die sunnitischen Gebiete im Irak infiltriert hat, zeigt der rasante Fall der zweitgrößten irakischen Stadt Mosul im Juni. De facto gab es keinen Widerstand gegen die Extremisten. Obama schlussfolgerte völlig richtig, dass jenseits einer militärisch erzwungenen Pax Americana der Schlüssel für die Lösung des Konflikts nicht in Syrien, sondern in Irak liegt. Da Ersteres keine ernsthafte Option ist, versuchten die Amerikaner über einflussreiche Schiiten wie den geistlichen Führer Irak, Ayatollah Ali al-Sistani, Druck auf Al-Maliki auszuüben, den Weg für die Bildung einer auf Ausgleich bedachten Regierung frei zu machen. Eine Wende kann es nur geben, wenn die Sunni das Kalifat nicht mehr als das kleinere Übel ansehen. Es dürfte kein Zufall sein, dass der Machtkampf in Bagdad ausgerechnet zu dem Zeitpunkt eskaliert, an dem die USA im Norden des Landes den Kurden und Jesiden mit Luftschlägen zu Hilfe eilen. Ein Eingreifen mit dem begrenzten Ziel, Völkermord zu verhindern und die Destabilisierung der strategisch wichtigen Region zwischen der Türkei, Syrien und Iran zu vermeiden. Hillary Clinton mag Obamas Pragmatismus als Außenpolitik ohne Leitidee kritisieren. Fragt sich, warum sie dies erst jetzt beanstandet, nachdem sie diesen Kurs fast vier Jahre lang an der Spitze des State Departments ausführte. Das klingt nach Besserwisserei und sieht nach dem Versuch aus, sich wegen ihrer eigenen Ambitionen auf das Weiße Haus von dem in den Umfragen abgesackten Präsidenten zu distanzieren. Clinton und andere Kritiker sollten sich daran erinnern, wem die gegenwärtige Katastrophe in der Region wirklich zu verdanken ist. Sie ist das Ergebnis der idealistischen Politik George W. Bushs, der große Visionen im Nahen Osten verfolgte. Statt im Irak den ersten Domino umzustoßen, der eine Demokratisierung der Region auslöste, zündete er die Lunte an einem Pulverfass.

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