Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Streit um das Asylrecht
Regensburg (ots)
Heute kommt es im Bundesrat zu politischen Showdown, sozusagen zum finalen Schlagabtausch in Sachen Asylrecht. Der Streit geht vordergründig vor allem darum, ob Balkan-Staaten wie Serbien, Bosnien-Herzegowina und Montenegro künftig als sichere Herkunftsländer gelten sollen. Die Bundesregierung sowie eine Mehrheit des Bundestages betrachtet diese Staaten als sicher. Und deswegen sollen Asylbewerber vom Balkan, die rund ein Fünftel der Anträge in Deutschland ausmachen, auch wieder dorthin zurückgeschickt werden. Die Anerkennungsquote liege "bei nahe null", sagt Bayerns neuer Bundesratsminister Marcel Huber. Die Grünen, die in immerhin sechs Bundesländern mitregieren, sehen dies freilich anders. Angehörige der Roma etwa sind in diesen Balkanstaaten nicht wohlgelitten, sie werden teilweise brutal verfolgt und vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Davor dürfe Deutschland nun nicht die Augen verschließen. Eine pauschale Ablehnung von Anträgen aus diesen Staaten und die "Rückführung" dorthin bedeute für Betroffene die Rückkehr ins Grauen, meinen die Grünen. Bis in die späten Abendstunden wurde gestern nach einem Kompromiss für das vertrackte und politisch höchst brisante Problem gesucht. Doch beim Asylproblem geht es nicht nur um drei mehr oder weniger sichere Herkunftsländer, nicht nur um Roma, sondern um die Frage, wie sich das prosperierende Deutschland Flüchtlingen gegenüber künftig verhalten will. Einfach abschotten, "das Boot ist voll"? Oder kommt es endlich zu einer der Zeit und den Anforderungen gemäßen Anpassung des Asylrechts? Die Welt ist aus den Fugen geraten, meint Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und denkt sicher nicht nur an die blutigen Konflikte von Irak, Syrien, Gaza bis Ostukraine. Das deutsche Asylrecht, Asylpolitik und die Strukturen vor Ort sind diesen Herausforderungen nicht gewachsen. Und auch nun wird kleinlich nur an einigen Symptomen herumgedoktert. Es gilt einen praktikablen Weg zu finden, der weder mit dem rechtspopulistischen "Das Boot ist voll" noch mit dem blauäugigen "Lasset alle Beladenen zu uns kommen" zu tun hat. Wichtig ist, dass jene Menschen bei uns Hilfe bekommen, die sie wirklich brauchen, weil sie in ihren Heimatländern um Leib und Leben fürchten müssen, weil sie etwa wegen ihrer Religion, ihrer ethnischen Zugehörigkeit verfolgt werden. Das Roma-Problem auf dem Balkan muss dort gelöst werden, notfalls mit Druck der Bundesregierung. Aber was ist mit Flüchtlingen aus den vielen anderen Ländern? Selbstverständlich kann auch Deutschland nicht alle Probleme dieser Welt lösen. Aber ein angemessenes Schärflein an humanitärer Hilfe kann es schon leisten. Tut es auch! Ärgerlich an der ganzen Sache ist, dass beim jetzigen politischen Streit sowohl die betroffenen Flüchtlinge als auch einheimische Bürger und Kommunen unter die Räder zu kommen drohen. Die vergangenen Monate wurden leider nicht dazu genutzt, einen tragbaren Kompromiss zu finden. Dabei ist es höchste Zeit für ein Asyl-Sofortprogramm, dass den Kommunen schnell finanziell unter die Arme greift. Zu fragen ist auch, ob Asylbewerber in Deutschland wirklich zwangsweise in Heime mit Residenzpflicht gesteckt werden müssen und nicht arbeiten dürfen. Noch dazu werden die Nachbarn von Flüchtlingseinrichtungen oft genug vor vollendete Tatsachen gestellt. Ihre Fragen, ihr Frust gegen solche Entscheidungen "von oben" sind verständlich. Hass und Gewalt gegen Ausländer dagegen nicht. Artikel 1 unseres Grundgesetzes gilt sowohl für Deutsche, als auch für kosovarische Roma, syrische oder afghanische Flüchtlinge.
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