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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Reinhard Zweigler zur Rüstungspolitik

Regensburg (ots)

Für Horst Seehofer scheint die Sache klar. Die Bundeswehr braucht mehr Geld. Für besseres Gerät, besseren Schutz der Soldatinnen und Soldaten. Mit der Forderung nach Erhöhung des Wehretats dürfte der CSU-Chef jedoch bei der abendlichen Sitzung des Koalitionsausschusses im Kanzleramt heute vorerst auf Granit beißen. Der gestern an die ehrgeizige Ursula von der Leyen übergebene Bericht über die Mängel im Beschaffungswesen zeigt, dass die Probleme nicht einfach mit mehr Geld aus der Welt zu schaffen sind, sondern zuerst mit einem radikalen Umbau der verkrusteten Strukturen im Hause selbst. Der Filz aus Inkompetenz und Inkonsequenz, der sich im Ministerium über Jahre und Jahrzehnte breit gemacht hat, muss radikal durchgekämmt werden. Das ist von der Leyens neue, gefährliche Mission. Sie muss etwas schaffen, woran ein ganze Reihe von Ministern vor ihr kläglich scheiterten. Sie muss das milliardenschwere Beschaffungswesen in den Griff bekommen. Schafft sie es, diesen zigfach verschlungenen Knoten durchzuschlagen, dann stehen der "Mutter der Truppe" die Türen zu noch Höherem offen. Schafft sie es nicht, reiht sie sich ein in die lange Liste der auf diesem Schleudersitz Gescheiterten, von Scharping, Struck, Jung, zu Guttenberg bis de Maiziere. Doch von der Leyen will nicht scheitern. Natürlich hat der bayerische Löwe mit seinem Ruf nach einem höheren Wehretat nicht nur die derzeitigen gravierenden Beschaffungs- und Einsatzprobleme der Armee im Auge, sondern auch die vor allem im Süden der Republik angesiedelte Rüstungsindustrie. Dabei sind die deutschen und internationalen Rüstungs- und Waffenschmieden ein Teil des Problems, das die externen Gutachter ein Vierteljahr lang geprüft und nun auf den Tisch im Berliner Bendlerblock gelegt haben. Nicht ein einziges großes Rüstungsprojekt der vergangenen Jahre wurde termin-, geschweige den kostengetreu an die Bundeswehr übergeben. Im Gegenteil. Die Liste der Mängel und Versäumnisse ist lang. Und sie reicht vom Euro-Fighter, bei dem die Kosten explodierten, bis zum Transporter A400M, der seit über vier Jahren auf sich warten lässt. Von U-Booten, Korvetten, Marine- und Kampfhubschraubern bis zu gepanzerten Fahrzeugen und Sturmgewehren. Die Rüstungsunternehmen konnten beim staatlichen Auftraggeber nicht nur satte Aufträge an Land ziehen, sondern sie haben bei den märchenhaften Monopolpreisen zumeist auch noch kräftig draufgesattelt. Auch damit muss Schluss sein. Wer nicht pünktlich das liefert, was bestellt wurde, der muss das anhand geringerer Erlöse empfindlich zu spüren bekommen. Was in der übrigen Wirtschaft gang und gäbe ist, muss auch für den Rüstungsbereich gelten. Auf der anderen Seite hat die Bundeswehr bei vielen wichtigen Projekten selbst Anforderungen immer weiter angehoben. Sonderwünsche von der Spitze des Wehrministeriums inklusive. Hinzu kommen strukturelle Probleme, die das Ministerium mit allein vier "zentralen" Beschaffungs-Institutionen zu verantworten hat. Mit den Auslandseinsätzen, die mittlerweile auf 17 Missionen von Afghanistan bis ans Horn von Afrika angewachsen sind, ist die verkleinerte Bundeswehr längst an die Schmerzgrenze gestoßen. Die deutsche Armee war die letzten Jahre im Grunde nur damit beschäftigt, die internationalen Einsätze vorzubereiten und abzusichern. Sie zehrte von der Substanz - und wurde so für junge Menschen immer weniger attraktiv. Doch erst wenn die hausgemachten, strukturellen Probleme gemeistert worden sind, darf über eine maßvolle Erhöhung des Verteidigungsetats diskutiert und verhandelt werden.

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