Mittelbayerische Zeitung: Verprügelt, vergewaltigt, verkauft
Weltweit sind Frauen Opfer von Gewalt. Ursache ist die anhaltende Diskriminierung. Leitartikel von Christine Straßer
Regensburg (ots)
Artikel 1 der Erklärung der Menschenrechte schreibt die Gleichstellung der Geschlechter fest. "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren", steht da. Die Realität sieht anders aus. Gewalt gegen Frauen ist allgegenwärtig. Sie beschränkt sich nicht auf spezielle Kulturen, Regionen, Länder oder einige Gruppen von Frauen. Die Ursachen der Gewaltakte liegen in der anhaltenden Diskriminierung von Frauen. Der Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen für Frauen geht davon aus, dass in einigen Ländern bis zu 70 Prozent aller Frauen mindestens einmal im Lauf ihres Lebens Opfer physischer oder sexueller Gewalt werden - in der Mehrzahl durch vertraute Partner und im häuslichen Bereich. Zudem erfahren Frauen Gewalt in Form von Frauenhandel, Zwangsprostitution, Vergewaltigung und Genitalverstümmelung. Der von den Vereinten Nationen deklarierte "Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen" macht morgen auf die Situation aufmerksam. Das ist bitter nötig. Die Menschenrechtsorganisation für Frauen und Mädchen "Terre des Femmes" hat den Kampf gegen Genitalverstümmelung zu einem Schwerpunktthema gemacht. Weltweit sind nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation rund 140 Millionen Frauen von Genitalverstümmelung betroffen. Auch gegen Frauenhandel setzt sich "Terre des Femmes" ein. Die Dimensionen sind schwer zu fassen. Das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Kriminalitätsbekämpfung hat 2012 rund 2,4 Millionen Menschen weltweit als Opfer des Menschenhandels klassifiziert. Häufig sind Frauen in bewaffneten Konflikten Gewalt ausgesetzt. Das lässt sich aktuell wieder beobachten. Im Irak haben Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat tausende Frauen versklavt und verkauft. Das englischsprachige Propagandamagazin der Gruppe rechtfertigte das auf frauenverachtende Weise. "Mehrere zeitgenössische Islamgelehrte sagen, dass das Ende der Sklaverei zu einer Zunahme von unzulässigen sexuellen Aktivitäten (Ehebruch, Unzucht usw.) geführt hat." Ein Mann, der sich noch keine Ehe mit einer Frau leisten könne, habe keine Scharia-konforme Sexalternative. Vergewaltigungen und Folter werden gezielt als Mittel der Kriegsführung eingesetzt. Studien aus Ruanda gehen davon aus, dass zwischen 250 000 und 500 000 Frauen und Mädchen während des Völkermords 1994 Opfer sexualisierter Gewalt wurden. Derzeit ist die Situation im Kongo so dramatisch, dass die Worte dafür fehlen. Nach dem Besuch eines Hospitals im Ostkongo schrieb die US-Schriftstellerin Eve Ensler: "Ich komme gerade aus der Hölle zurück. Wie soll ich neunjährige Mädchen beschreiben, die von ganzen Banden von Soldaten vergewaltigt wurden? Oder Frauen, die von Gewehrschüssen in die Scheide zerrissen wurden, und aus denen unkontrollierbare Ströme von Kot und Urin rinnen?" Die Situation in Deutschland ist nicht vergleichbar. Dennoch ist Gewalt gegen Frauen keine Randerscheinung. Laut dem Bundesfamilienministerium haben 35 Prozent der Frauen schon einmal körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlitten. Die wenigsten suchen Hilfe bei den Sicherheitskräften. Dabei ist die deutsche Rechtslage vergleichsweise gut. Eine Kultur des Schweigens und des Wegsehens ermöglicht es aber, dass Gewalt so selten thematisiert wird. Die Zahlen machen klar, dass wir alle Betroffene kennen müssen. Mütter, Töchter, Schwestern, Freundinnen, Kolleginnen.
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