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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Martin Anton zum Lufthansa-Streik

Regensburg (ots)

Eine Feier gibt es wohl nicht. Wenn sich in zwei Wochen der erste Streik in der aktuellen Tarifauseinandersetzung zwischen der Lufthansa und der Vereinigung Cockpit (VC) jährt, sind eher weitere Streiks an deutschen Flughäfen als eine Einigung zu erwarten. Gleichzeitig drohen Warnstreiks im Öffentlichen Dienst, in der Chemie-Industrie und kaum jemand kann sich erinnern, wann Verdi und Amazon sich zuletzt nicht in einer Tarifauseinandersetzung befanden. So könnte 2015 tatsächlich zum Streikjahr werden. Denn während alte Auseinandersetzungen anhalten, bereiten sich Handel, Landwirtschaft, Verkehrsgewerbe und Gebäudereiniger auf Tarifverhandlungen vor. Eine Regel im Tarifwesen heißt: In guten Zeiten wird mehr gestreikt. So könnte man die derzeit heftigen Arbeitskämpfe durchaus als gutes Zeichen für den Zustand der deutschen Wirtschaft werten. Ein Beispiel dafür sind im Voraus gefürchteten Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie. Die dauerte zwar beachtliche vier Runden, war aber schon nach gut einem Monat beendet. Das liegt zum einen daran, dass es der Branche gut geht. Zwar standen mit der Altersteilzeit und der Weiterbildungsfrage strittige Themen auf der Agenda. Doch waren die Rollen trotzdem klar verteilt: Hier die Arbeitnehmerverbände, die die Arbeitskostenbelastung niedrige halten wollten. Dort die Gewerkschaften, die möglichst viel für die Arbeitnehmer herausschlagen wollten. Bei den lang andauernden Arbeitskämpfen geht es aber um mehr als nur eine Zahl vor oder hinter dem Komma bei der Lohnerhöhung. So herrscht bei Lufthansa, Bahn und im Öffentlichen Dienst Spardruck. Die Lufthansa kämpft auf den Langstrecken mit der Konkurrenz aus dem Nahen Osten, bei den Kurz- und Mittelstrecken machen ihr die Billigflieger zu schaffen. Die Bahn ringt seit ihrer Privatisierung und der Öffnung des Wettbewerbs um ihre Rolle zwischen Konkurrenzkampf, Staatsbahn und Börsenunternehmen. Und ebenso wie im Öffentlichen Dienst besteht bei Bahn und Lufthansa der aus einer grundsätzlichen Umstrukturierung der Arbeitsverhältnisse entstehende Konflikt zwischen den Angestellten mit Altverträgen, beziehungsweise Beamtenstatus, und den prekär Beschäftigten. Vor allem die Piloten versuchen durch den aktuellen Streik Einfluss auf die Unternehmensführung zu nehmen. Sie wollen den Ausbau des Billigsegments in Form der "Wings-Familie" verhindern. Auch wenn es dabei vor allem darum geht, die Pilotengehälter und -pensionen langfristig auf hohem Niveau zu halten sowie den Einfluss der Gewerkschaft VC zu sichern, tritt durch diesen Streit zu Tage, was bei "normalen" Tarifverhandlungen vom plakativen Geschacher um Prozente verdeckt wird. Nämlich die Beteiligung der Mitarbeiter an der Gestaltung des Unternehmens. Die Einteilung in Arbeitnehmer und Arbeitgeber hat sich in den vergangenen Jahren eher verstärkt als dass sie abgeschwächt wäre. Die Mitbestimmung ist in vielen Unternehmen nur ein Lippenbekenntnis und reduziert darauf, Ideen von Mitarbeitern für die Verbesserung der Produkte oder die Produktion abzuschöpfen. Die Entscheidungen, was nötig, wichtig und richtig ist, treffen im Endeffekt die Aufsichtsräte, beziehungsweise die Besitzer, deren wichtigste Entscheidungshilfe zunehmend die Dividende, die Rendite ist. Und so macht es keinen Unterschied, dass die Piloten behaupten, ihr Streikkalender gehe bis Ende 2015. Denn die Lufthansa wird sich nicht von ihrem Kurs abbringen lassen und es geht wieder nur um ein Stück vom Kuchen - nicht um die Bäckerei.

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