Mittelbayerische Zeitung: Seehofers Jahr der Entscheidungen - Castortransporte, Stromtrassen, Maut: Nun zeigt sich, wie stark die CSU wirklich ist. Von Christine Schröpf
Regensburg (ots)
Es wird ein heißer Sommer für die CSU - mit harten politischen Kämpfen an vielen Fronten und der großen Gefahr, gleich mehrfach zur Kapitulation gezwungen zu werden. In Sachen Maut durchkreuzt Brüssel die CSU-Pläne, bei Stromtrassen, Castortransporten, Länderfinanzausgleich und Mindestlohn sitzen die Widersacher in der eigenen Berliner Koalition. CSU-Chef Horst Seehofer hatte Journalisten kürzlich wegen der spannungsreichen nächsten Wochen zur freiwilligen Urlaubssperre geraten. Nervenstrapazierend wird es aber vor allem für ihn. Der Nimbus seiner Partei als weiß-blaue Großmacht ist in Gefahr - das ist mit Blick auf künftige Wahlen hochriskant. Die CSU trumpft traditionell mit ihrem großen Einfluss in Berlin und Brüssel auf. Doch was bleibt davon, wenn große Versprechungen nicht eingelöst werden? Die CSU ist sich ihrer Lage wohl bewusst. Wie immer, wenn es brenzlig ist, schließen sich (zumindest fürs Erste) die Reihen, parallel wird vorausschauend ein externer Sündenbock gesucht. Gutes Beispiel: die wegen Brüssel bis auf weiteres auf Eis gelegte Pkw-Maut. So viel Rückhalt für Mautminister Alexander Dobrindt war lange nicht mehr. Das ist nicht nur Taktik, es ist tatsächlich auch fair. Schließlich war Dobrindt von Seehofer höchstpersönlich auf dieses Kamikaze-Kommando geschickt worden. Das Mautgesetz des Bundesverkehrsministers ist nur so gut oder besser so schlecht, wie es nach den engen CSU-Wahlkampfvorgaben sein konnte. Wer sich im Sommer 2013 in Festzelten für die "Ausländer-Maut" feiern ließ, muss sich heute nicht wundern, wenn die EU an einer Gleichbehandlung der EU-Bürger zweifelt. Der Ärger war unvermeidlich und absehbar. Ein Scheitern bei der Maut dürfte der CSU trotzdem am wenigsten vor die Füße fallen. Brüssel taugt bei den Wählern allemal als Sündenbock. Die CSU kann zudem darauf verweisen, dass sie das Gesetz in Berlin gegen alle Widerstände durchgeboxt hat. Bei Stromtrassen, Castortransporten, Länderfinanzausgleich und Mindestlohn schaut es anders aus. Hier muss Seehofer liefern - das macht ihn allerdings auch zum harten und unberechenbaren Verhandlungspartner. Wie schwierig die Gefechtslage ist, lässt sich an einer neuen Drohgebärde ablesen. Die CSU kündigte am Montag erstmals an, dass die mehrfach verschobenen Entscheidungen zu offenen Streitthemen, statt im Sommer auch erst im Herbst fallen könnten. Wann immer es so weit ist: In allen Fällen zeichnet sich ab, dass bestenfalls Korrekturen erreichbar sind. Bei den Stromtrassen könnte der Kompromiss in nur einer statt zwei Megaleitungen bestehen, inklusive Erdkabel für Teilstrecken. Beim Mindestlohn werden wohl einige Härtefälle abgemildert. Rätselhaft bleibt allerdings, mit welchen Begründungen Bayern das zwischenlagern von Atommüll verhindern will - wer ihn selbst in großen Mengen produziert, kann sich nicht aus der Verantwortung ziehen. Beim Koalitionspoker in Berlin könnte sich rächen, dass die CSU zuletzt eine notorische Blockadehaltung eingenommen hat. Wer überall rigoros Nein sagt und Lasten auf andere Bundesländer verteilen will, findet auch mit guten Argumenten schlecht Gehör. Die Bereitschaft, den reichen Bayern etwas zuzugestehen, ist ohnehin schwach ausgeprägt. Das Jahr 2015 wird zeigen, wie stark die CSU wirklich ist und wie rasch die demonstrative Einigkeit in der Partei bröckelt, wenn statt Siegen viele kleine und große Niederlagen zu vermelden sind. Die CSU hat sich in diesen Fällen immer als knallhart erwiesen. In die Schusslinie gerät dann aber nicht Dobrindt oder ein anderer Fachminister, sondern Seehofer.
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