Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Reinhard Zweigler zu AfD
Regensburg (ots)
Selten ist ein Parteichef dermaßen mit Schimpf und Schande aus dem Amt gebuht worden wie der Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke am Samstag beim Parteikongress der Alternative für Deutschland. Vor zwei Jahren hatte der biedere Hamburger die Partei als Sammelbecken der Unzufriedenen mit der Euro- und Griechenland-Rettungspolitik von Angela Merkel gegründet. Nun jagten sie ihn in der Essener Grugahalle vom Hof wie einen Aussätzigen. Bernd Luckes professoral-konservativen Ansichten sind einer großen Mehrheit der heutigen AfD ganz einfach zu liberal. Die Geister, die er rief, wurde er nicht mehr los. Essen brachte, so gesehen, die Niederlage eines politischen Zauberlehrlings. Mit Frauke Petry an der Spitze haben die Nationalkonservativen und Rechtspopulisten die Oberhand gewonnen. Auch wenn Petry das nie so sagen würde - diese AfD ist der verlängerte Arm der Pegida-Bewegung und umgekehrt. Und sie ist offenbar auch noch stolz darauf. Bernd Lucke packte nach der Klatsche bei der Wahl des Vorsitzenden eiligst seinen PC und verschwand wie ein geprügelter Hund von der Bühne. Vielleicht hat er nun begriffen, dass eine Partei, zumal eine neue und ungefestigte mit sich bekämpfenden Strömungen nicht zu leiten ist wie ein volkswirtschaftliches Oberseminar. Luckes Analysen waren bisweilen brillant, nur die Politik, die er daraus ableitete, war chaotisch, weltfremd, besserwisserisch. Damit fand er sich in Brüssel plötzlich in schlechter Gesellschaft mit dem Front National einer Marine le Pen oder der sogenannten niederländischen Freiheitspartei eines Geert Wilders. Mit den Rechtsextremen wollten Lucke, Olaf Henkel, einst Chef des Bundesverbandes der Industrie und heute AfD-Europaabgeordneter, ganz und gar nichts zu tun haben. Letztlich mussten die Liberal-Konservativen in der AfD allerdings einsehen, dass ihre Partei schrittweise weit nach rechts gerutscht war. Dass Lucke, um seine Anhänger um sich zu scharen, vor Wochen noch den innerparteilichen Verein Weckruf gründete, war erstens Ausdruck seiner Ohnmacht und zweitens eine Verkennung der wirklichen Machtverhältnisse im politischen Sammelbecken namens AfD. Der Ex-AfD-Chef lieferte damit Petry, Alexander Gauland - der Ex-CDU-Mann ist Chef der Brandenburger Landtagsfraktion mit viel Verständnis für Wladimir Putin - und den anderen Nationalkonservativen einen weiteren Vorwand, um Lucke in die Wüste zu schicken. Bundespolitisch ist die AfD zuletzt nur noch mit ihrem innerparteilichen Streit hervorgetreten sowie mit fremden- und flüchtlingsfeindlichen Parolen. Das dürfte nun so weitergehen. Die AfD ist in dieser Hinsicht drauf und dran, das Erbe der abgehalfterten NPD anzutreten - nur tritt sie dabei nicht ganz so derb auf. Vermutlich werden die Lucke-Getreuen, deren Auszug bereits gestern auf dem Parteitag sichtbar wurde, nun eine eigene Partei gründen. Einige bleiben vielleicht in der AfD. So oder so bedeutet die faktisch-politische Halbierung der Partei durch die Abkehr der Wirtschaftsliberalen eine eklatante Schwächung. Mit ihrer De-facto-Spaltung könnte die Marginalisierung der AfD einsetzen. Sie könnte in der politischen Versenkung verschwinden, wie einst die Schill-Partei, die DVU und bald auch die letzten Piraten. Eine Zeitlang sah es so aus, als würde sich rechts von der Union eine halbwegs demokratische konservative Partei etablieren können. Selbst der Einzug der AfD in den Bundestag, der 2013 knapp verpasst wurde, schien möglich. Diese Gefahr scheint nun etwas geringer geworden zu sein. Petry und Co. an der neuen Parteispitze werden allerdings alles tun, um weiterhin im Revier der Union zu wildern. Die AfD ist erst einmal geschwächt, aber noch nicht verschwunden.
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