Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Reinhard Zweigler zu Griechenland/Merkel
Regensburg (ots)
Ein wenig erinnert das, was Kanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Sigmar Gabriel zum griechischen Trauerspiel sagen, an das aus Kriminalfilmen bekannte Modell "guter Polizist, böser Polizist". Nur mit nicht immer klar verteilten Rollen. Merkel lässt, auch jetzt nach dem sonntäglichen Nein der Griechen zur Fortsetzung des Rettungsprogramms der "Troika", keine Gelegenheit aus, um nicht die "offenen Türen" für Athen zu beschwören. Gestern Abend sprach sie mit Francois Hollande in Paris, einem Bruder im Geiste. Heute brüten die Regierungschefs der Euro-Gruppe in Brüssel über die neue Situation mit ihrem größten Sorgenkind: Hellas. Der Vizekanzler gibt eher den knallharten Forderer. Er sehe nach dem Referendum keine Grundlage mehr für Verhandlungen mit der Regierung von Alexis Tsipras. Der habe die Brücken zu den Euro-Partnern abgerissen und sein Land auf einen Weg von bitterem Verzicht und Hoffnungslosigkeit geführt, kanzelte Gabriel den griechischen Premier ab. In der Bild-Zeitung und anderswo. Ähnlich starke Worte fanden höchstens der CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer oder der "Grexit-Prediger" Markus Söder. Nun kann Gabriel relativ gefahrlos kräftig austeilen. Der SPD-Chef sitzt nicht mit am Verhandlungstisch, wenn tage- und nächtelang über einen Ausweg aus der Griechenland-Bredouille verhandelt wird. Zu Gabriels Vorpreschen gegen die linke Regierung in Athen mag auch beitragen, dass er auf keinen Fall als Tsipras-Versteher haftbar gemacht werden will. Und dass sich eine große Mehrheit der Deutschen gegen weitere Hilfsprogramme, weitere Milliarden für Griechenland sträubt, ist dem Vizekanzler ebenfalls nicht entgangen. Deshalb überholt er die Kanzlerin beinahe noch von rechts. Schwieriger stellt sich die Malaise für Angela Merkel dar. Die Griechenlandkrise kratzt auch am Image der deutschen Kanzlerin, der Meisterin Europas. Bei einem Grexit, dem Ausscheiden Athens aus der Gemeinschaftswährung, wäre auch Merkels bisherige Euro-Rettungspolitik gescheitert. Die Lage ist für die deutsche Kanzlerin und CDU-Vorsitzende gleich doppelt verzwickt: Würde sie jetzt auf die neuesten Forderungen von Alexis Tsipras eingehen, würde gleichsam dessen Abkehr von ehernen EU-Grundsätzen - etwa, dass es Hilfen nur bei entsprechenden eigenen Anstrengungen und Reformen gibt - belohnt. Das Aus-der-Reihe-Tanzen und die rotzige Unverfrorenheit der Links-Regierung in Athen würde toleriert, sogar noch honoriert. Nachahmungseffekte in anderen Ländern würden gleichsam vorprogrammiert. Auf der anderen Seite steht Merkel unter erheblichen Druck aus den eigenen Reihen. Will sie die Einheit der Euro-Länder unter Einschluss des bedrohlichen Wackelkandidaten erhalten, wird sie um weitere Hilfen für Athen nicht herumkommen. Dass möglicherweise die bisherigen Hilfskredite aus Deutschland, es geht um eine Größenordnung von 70 Milliarden Euro, abgeschrieben werden müssten, ist dabei noch Merkels kleinste Sorge. Schwerer wiegt, dass es, so oder so, weitere Stützungen für das EU-Mitglied Griechenland geben muss. Anders als manche Heißsporne aus der CSU, die den Grexit lieber heute als morgen haben möchten, muss die Kanzlerin auch die strategischen Auswirkungen bedenken. Dass etwa ein Nato-Partner ausgerechnet an der Südost-Flanke des Bündnisses geschwächt würde, macht auch Barack Obama große Sorgen. Von Wladimir Putin, der genüsslich in die Bresche springen würde, ganz zu schweigen.Angela Merkel kann als große Euro- und Griechenland-Retterin in die Geschichte eingehen - oder aber als gescheiterte Trümmerfrau.
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