Mittelbayerische Zeitung: Luckes Resterampe - AfD und ALFA sind als konservative Opposition wohl gescheitert. CDU und CSU droht aber neue Gefahr. Von Reinhard Zweigler
Regensburg (ots)
Vielleicht war die "Alternative für Deutschland" lediglich eine Sternschnuppe am politischen Himmel der Bundesrepublik. Nach der beschämenden Abwahl des Parteiengründers Bernd Lucke auf dem chaotischen Essener Parteitag verglüht und zerbröselt die einstige Oppositionsgründung gegen den umstrittenen Euro-Rettungskurs von Angela Merkel und Wolfgang Schäuble immer weiter. Einst sogen die Lucke und Co. Honig aus der Misere des Euro und der südeuropäischen Krisenstaaten. Nun sind sie tief gespalten und verfeindet. Die verbliebenen National-Konservativen um die neue AfD-Chefin Frauke Petry sind eher so etwas wie der politische Arm der Pegida-Bewegung, schüren die Angst vor dem Islam und vor Flüchtlingen und sympathisieren sogar, wie der Potsdamer AfD-Mann Alexander Gauland, mit dem Krim-Besetzer Wladimir Putin. Eine klare Trennlinie zu offen Rechtsextremen ist bei der neuen AfD zudem kaum noch erkennbar. Vielleicht ist sie auch gar nicht mehr gewollt. Auf der anderen Seite kehrt der einstige wirtschaftsliberale AfD-Flügel in der eilends gegründeten neuen Partei ALFA die Scherben zusammen und versucht trotzig einen Neustart. Der Hamburger Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke hat offenbar die Hoffnung, dass es in der neuen Gruppierung etwas gesitteter, programmatisch straffer und geordneter zugeht als zuletzt im AfD-Chaos. Man wird sehen, ob sich aus den AfD-Resten um Frauke Petry hier und der neuen Lucke-Partei dort überhaupt noch so etwas wie nennenswerte politische Bewegungen entwickeln. Vermutlich jedoch könnten beide das Schicksal der Internet-Partei Piraten teilen, die rasch empor schoss - aber bald wieder abstürzte, kenterte und auf der politischen Bühne so gut wie keine Rolle mehr spielt. Insgeheim mag man sich in den Hauptquartieren von CDU und CSU über den Absturz der AfD die Hände reiben. Rechts von der Union dürfe es keine demokratische Partei geben, hatte einst Franz Josef Strauß als einen Erfolgsgaranten der deutschen Konservativen proklamiert. Nun tummeln sich zwar gleich zwei sich halbwegs demokratisch gebende Parteien auf diesem Areal. Doch mangels Masse und Klasse sind die für die Union zurzeit nicht wirklich bedrohlich. Die Betonung liegt auf "zurzeit". Und ein Ruhekissen ist das für CDU und CSU nicht. Eine wirkliche politische Konkurrenz für die Union sind weder Petrys Rechtsausleger noch Luckes professorale Wirtschaftsliberale. Da ist die Opposition in den eigenen Unionsreihen schon eher so etwas wie eine Beunruhigung für die erfolgsverwöhnte Merkel-CDU und Seehofers Alleinregierungs-CSU in Bayern. Die heutige Bundestagsabstimmung über das dritte Hilfspaket für Griechenland wird unter der Hand eine Art verkapptes Vertrauensvotum für die Kanzlerin. Dass bei der Abstimmung vor vier Wochen über die Verlängerung des zweiten Hilfspakets für Hellas allein fünf Dutzend Unions-Abgeordnete von der Fahne gingen, war ein Alarmsignal. Fraktionschef Volker Kauder hat - im Ton falsch, aber im Kern richtig - den Druck auf "Abtrünnige" kräftig erhöht. Seither stieg die Zahl der "Unentschlossenen" bei CDU und CSU rapide an. Deshalb lautete Merkels Order: Noch einmal darf sich die größte Fraktion im Bundestag nicht als ein Hort unsicherer Kantonisten erweisen. Denn wenn sich so etwas häuft, dann beginnen irgendwann einmal auch die Fundamente der Macht der Kanzlerin zu wanken. Und der Juniorpartner SPD, der sich in der Griechenland-Frage bis hin zur Selbstverleugnung staatstragend gibt, könnte auf andere Gedanken kommen.
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