Mittelbayerische Zeitung: Einfach und ehrlich: Bloßer Optimismus reicht nicht, um Flüchtlinge zu integrieren. Eine echte Debatte über das Wie ist nötig. Von Christine Straßer
Regensburg (ots)
Meine Mutter ist ein einfacher Mensch. Das sagt sie jedenfalls von sich selbst. Sie meint damit, dass sie "nur ihre Dorfschule" besucht hat und keinen höheren Bildungsabschluss besitzt. Wie Mütter eben sind, wünscht sie sich nur das Beste für ihre Kinder und würde alles dafür tun, damit es ihrer Familie gut geht. Wenn die Rede auf Flüchtlinge kommt, ist ihr erster Satz eigentlich immer: "Wir würden es genauso machen." Menschen mit "brauner Grütze im Kopf" sind bei meiner Mutter nicht nur nicht gern gesehen, sie widerspricht jetzt auch immer öfter. Das kostet sie Mut. Aber wer schweigt, stimmt zu, findet meine Mutter. Und das will sie nicht. Meine Mutter stellt sich die Frage, ob geholfen werden muss, gar nicht. Das ist für sie sonnenklar. Fremde sind längst ein Teil unseres Landes und Lebens und sie sind willkommen. Ganz ähnlich scheinen ja auch viele, viele Menschen in ganz Deutschland zu denken. Die Berge von Lebensmitteln, Wasserflaschen, Windeln und Hygieneartikeln, die sich vor dem Münchner Hauptbahnhof türmen, zeugen davon. Meine Mutter steht also nur beispielhaft für Millionen Deutsche, die bereit sind zu helfen, und jetzt wissen wollen, wie es weitergehen soll. Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel sagt, "Wir schaffen das, und wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden", dann ist das gut. Es ist wichtig, dass die Kanzlerin Optimismus verbreitet. Aber bloßer Optimismus reicht nicht, um Menschen ihre Sorgen zu nehmen. Sie muss konkreter werden. Was fehlt, ist eine ehrliche, unaufgeregte, ganz pragmatische Debatte darüber, wie Integration gelingen kann. Den Menschen ist klar, dass es schwierig wird - und teuer. Viele fänden es schlichtweg ehrlich, wenn ihnen das auch ganz direkt gesagt würde. Sie wissen, dass vieles im Kleinen vor Ort von ihnen selbst geregelt werden muss, aber sie wollen, dass die Bundesregierungen zumindest die Leitlinien vorgib. Das Ausmaß der Zerstörung in Syrien ist gewaltig und jemand, der auch nur entfernt weiß, wie dort Frieden geschaffen werden könnte, ist nicht in Sicht. Im Nahen Osten und in Afrika können jederzeit neue Krisenherde entstehen. Das bedeutet, auch in den nächsten Jahren werden viele Flüchtlinge zu uns kommen. Allein für Lebensunterhalt, Spracherwerb und Qualifizierung von Flüchtlingen werden Milliarden nötig sein. Gut angelegtes Geld, aber natürlich kein Pappenstil. Und die Frage, wo Hunderttausende Flüchtlinge künftig wohnen sollen, kann mit diesen Milliarden noch gar nicht beantwortet werden. Dafür braucht es zusätzliche Milliarden, denn: Es muss gebaut werden, wenn wir nicht wollen, dass Flüchtlingsghettos an Stadträndern entstehen. Was passiert, wenn weggesehen wird, lässt sich in unserem Nachbarland Frankreich besichtigen. Es ist richtig, dass unter den Flüchtlingen hoch qualifizierte Menschen sind und andererseits die Wirtschaft nach Arbeitskräften sucht. Aber Flüchtlinge allein werden nicht die Lösung für den Fachkräftemangel in Deutschland sein. So einfach geht die Gleichung leider nicht auf. Zur Wahrheit gehört außerdem, dass die meisten Flüchtlinge schwer traumatisiert sind. Doch wie viele Kindergärtnerinnen, Lehrer und Arbeitgeber wissen über Traumata Bescheid? Wer hilft ihnen in Momenten der Überforderung? Allein schon aus statistischer Wahrscheinlichkeit ergibt sich, dass nicht nur "gute" Flüchtlinge kommen werden. Es ist möglich, dass getarnte IS-Kämpfer einreisen, die Anschlagspläne im Gepäck haben. Zu einer ehrlichen Debatte gehört auch, dass man über so ein Thema spricht.
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