Mittelbayerische Zeitung: Unerreichbares Phänomen - Franz Beckenbauers Leben ist von Erfolgen gepflastert. Die Faszination liegt aber in der Persönlichkeit. Von Claus Gehr
Regensburg (ots)
Ja gut, sicherlich...! Eigentlich kann eine Betrachtung der Person Franz Beckenbauer nur so beginnen. Es scheint fast so, als hätte er diese Floskel den Parodisten zum Geschenk gemacht. Denn selbst bei weniger talentierten Nachahmern ist spätestens nach diesen drei doch eher weniger aussagekräftigen Worten sofort klar, wer den da nun parodiert werden soll. Sie ist eines der Markenzeichen der wohl größten Persönlichkeit geworden, die der deutsche Sport jemals hervorgebracht hat. Am 11. September 1945 erblickte im Münchner Stadtteil Giesing der Sohn eines Postobersekretärs das Licht der Welt. 70 Jahre später feiern wir ihn als den Kaiser, als Lichtgestalt. Beckenbauer war und ist ein Geschenk des Fußballs an die Nation - eines, das es in dieser Form wohl nicht mehr geben wird. Seine Strahlkraft geht längst weit über die Grenzen seines Sports hinaus. Das ist auch in Zahlen zu belegen. 98,2 Prozent der Deutschen kennen Franz Beckenbauer, hat 2013 eine repräsentative Umfrage ermittelt. 80,76 Prozent der Befragten sagten, dass er Einfluss in Deutschland hat. 73,55 Prozent haben Vertrauen in ihn. In Europa liegt seine Bekanntheit bei 69,67 Prozent. Das Gesamtkunstwerk Franz Beckenbauer ist der glücklichen Verkettung vieler Faktoren geschuldet. Jeder für sich betrachtet zwar außergewöhnlich, aber vielleicht nicht zwangsläufig unerreichbar. In der Summe bündeln sie sich jedoch zu einzigartiger Strahlkraft. Ein Vergleich des Fußballers Beckenbauer mit den Ausnahmekönnern der Gegenwart ist in Anbetracht der Weiterentwicklung des Sports nur schwer möglich. Der Fußball von heute sei mit dem Fußball zu seinen Glanzzeiten nicht mehr zu vergleichen, hat Beckenbauer selbst einmal gesagt. In seiner Zeit war er jedoch prägend für das Spiel. Mit seinen herausragenden technischen Fähigkeiten, seiner Spielintelligenz und seiner Eleganz stach er aus der Masse heraus. Seine offensive Interpretation der Position des Liberos wirkte noch viele Jahre nach und wurde garniert mit einer Titelsammlung, die bis hin zu Europapokalsiegen, Europa- und Weltmeistertitel alles umfasst, was es im Fußball als Spieler zu gewinnen gibt. Doch auch nach seiner aktiven Laufbahn beschenkte Beckenbauer die Nation mit fußballerischen Glücksmomenten. 1990 führte er die deutsche Nationalmannschaft als Teamchef zum Weltmeistertitel und 2006 brachte er als WM-Botschafter das Sommermärchen nach Deutschland. Egal, was dieser Mann anpackt, es wird ein Erfolg. Selbst das herrliche Wetter während seiner WM habe man eigentlich nur ihm zu verdanken, behaupteten manche. Das Geheimnis hinter dem Phänomen Beckenbauer ist jedoch diese besondere Aura, die ihn umgibt. Da ist zum einen diese Mischung aus Volksnähe und großer weiter Welt. Der Kaiser macht beim Sponsorentermin neben Fans die gleiche gute Figur wie beim Festbankett mit Staatsoberhäuptern. Dank seinem Charme, seinem Humor und seiner Selbstironie werden ihm sogar amouröse Verfehlungen oder andere Fehltritte verziehen, wie im Zuge der WM-Vergabe an Katar als er die katastrophalen Arbeitsbedingungen auf den WM-Baustellen verharmloste und dort "keine Sklaven" gesehen haben wollte. Man kann zwar nicht alles gut finden, was Beckenbauer macht, ihn nicht zu mögen, ist jedoch nahezu unmöglich. Uefa-Präsident Michel Platini und Fifa-Boss Joseph S. Blatter dürfen sich glücklich schätzen, dass den Kaiser ihre Posten nie reizten. Hätte er jemals ernsthaft daran gedacht, in die Politik zu gehen, ist zumindest nicht auszuschließen, dass er es auch dort weit gebracht hätte. Auch im stolzen Alter von 70 ist die Marke Beckenbauer noch immer hoch im Kurs. All jenen, die nach ihm kommen, hat er große Fußstapfen hinterlassen. Diese auszufüllen, ist in Gänze wahrscheinlich unerreichbar.
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