Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Christine Straßer zu BAMF/Asyl
Regensburg (ots)
Kennen Sie den? Wie spielt man Beamten-Mikado? - Wer sich zuerst bewegt, hat verloren. Beamte haben es in Deutschland schwer. Sie sind Zielscheibe unzähliger Witze. Wer das Bild des faulen Beamten zeichnet, kann damit rechnen, Beifall zu bekommen - und Wählerstimmen. Das dachte sich wohl auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Manu Dreyer. Ende 2015 kritisierte die SPD-Politikerin die Arbeit des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) scharf: "Dienst von Montag bis Freitag - das geht in diesen Zeiten nicht mehr." Dem BAMF kommt in der Flüchtlingskrise eine Schlüsselstellung zu. Nur das BAMF entscheidet, ob ein Flüchtling Asyl bekommt. Genauer gesagt machen das die Entscheider. Die Zahl der Entscheider soll Ende März 1700 betragen. Anfang 2015 waren es noch 360, Ende 2015 waren es 1000. Viele Politiker haben das gefordert: mehr Personal. BAMF-Chef Frank-Jürgen Weise versucht den Auftrag der Bundesregierung, nach schnelleren Verfahren umzusetzen. Aber mit mehr Stellen für das Amt ist es allein nicht getan. Denn wo soll Weise die geeigneten Mitarbeiter hernehmen? Für den mittleren und gehobenen Dienst, in dem die meisten Menschen gebraucht werden, ist in der Regel eine Ausbildung von drei Jahren nötig. Das BAMF akzeptiert inzwischen Bewerber mit jedem Bachelor-Abschluss. Mitarbeiter aus der Zollverwaltung helfen bereits aus. In achtwöchigen Lehrgängen schult das BAMF neue Mitarbeiter. Aber die Eile hat eine Kehrseite: Sie geht zu Lasten der Gründlichkeit. Im vergangenen Jahr schrieben BAMF-Mitarbeiter einen wütenden Brief an ihren Chef. Sie beklagten Arbeitsbedingungen, "die mit einem rechtsstaatlichen Verfahren nicht vereinbar" sind, weil Weise auch Praktikanten und andere Anfänger über Asylverfahren entscheiden ließ. Ende Januar war bekannt geworden, dass BAMF-Mitarbeiter künftig auch an Samstagen arbeiten sollen und bis zu 40 Stunden monatlich mehr. Dafür bekommen sie keinen Freizeitausgleich, sondern eine finanzielle Vergütung. Recherchen des Bayerischen Rundfunks haben außerdem ergeben, dass das Amt nur noch Mitarbeiter einstellt, die zu Mehr- und Schichtarbeit bereit sind. Für Einstellungen sollen geltende Gesetze umgangen werden. Zudem würden die Mitbestimmungsrechte für Personalvertreter verletzt. Sollte das stimmen, sind es besorgniserregende Entwicklungen, weil sie eines demokratischen Rechtsstaates unwürdig sind. Um auf den Witz über die Beamten, die sich nicht bewegen, zurückzukommen, sei an die Definition von Max Weber für Bürokratie erinnert. Bürokratie ist dem Soziologen zufolge die Ausübung von Geschäften nach allgemein angebbaren Prinzipien. Das bedeutet: mit klaren Kompetenzen und mit der Möglichkeit des Rechtswegs und der Berufung. Willkür hat hier nichts zu suchen. Wenn Beamte zu sehr nach eigenem Gutdünken handeln und von Verfahren abweichen, dann ist das ein Problem. Das sollte man in der Diskussion um das BAMF nicht ganz vergessen. Die Ungeduld darüber, dass Asylverfahren so verflixt langsam ablaufen, ist verständlich. Aber sie müssen sorgfältig und gewissenhaft durchgeführt werden. Das zeichnet eine Demokratie sogar aus. Wer sich mit der Flüchtlingskrise auseinandersetzt, stellt fest, dass es vor allem ein massives Organisationsversagen gibt. In bestimmten Bereichen braucht es mehr Stellen, aber mehr noch sind effiziente Verfahren - mehr funktionierende Bürokratie, wenn man so will - gefragt. Eines der größten Hindernisse liegt bisher darin, dass Daten mehrfach erhoben werden müssen und keine bundesweite Übersicht darüber existiert, wer sich wo aufhält. Die IT-Systeme der beteiligten Behörden sind nicht miteinander vernetzt. Im Dezember haben BAMF-Chef Weise und Innenminister Thomas de Maizière angekündigt, das zu ändern. Ämter und Polizei werden mit notwendigem technischen Gerät und der Software versorgt. Eine wichtige Verbesserung.
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