Mittelbayerische Zeitung: Empörung reicht nicht
Nach der Enthüllung der Panama-Papiere legt Finanzminister Schäuble einen Zehnpunkteplan vor. Leitartikel von Reinhard Zweigler
Regensburg (ots)
Oh, wie schön ist Panama, jubeln der kleine Tiger und sein Freund, der Bär, aus der Kindergeschichte von Janosch, die vor 28 Jahren erschien und viele begeisterte Leser fand. Seit vor über einer Woche die Panama-Papiere über tausende dubiose Briefkastenfirmen in dem mittelamerikanischen Land öffentlich wurden, überschlägt sich die Politik vor Empörung und vor Aktionismus. Den gerissenen Steuerbetrügern und Geldwäschern, die mit krimineller Energie via Panama Geld am heimischen Fiskus vorbei jonglieren, soll es endlich an den Kragen gehen und den hilfsbereiten Banken sowie gewieften Briefkasten-Bereitstellern gleich mit. So zumindest die hehre Absicht. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble stellt sich in die erste Reihe im Kampf gegen die internationalen Panama-Profiteure. Er will den automatischen Informationsaustausch in Steuerfragen zwischen den Staaten ausdehnen, scharfe Überwachung und schwarze Listen für nichtkooperative Staaten. Alles richtige und notwendige Maßnahmen, keine Frage. Doch warum bedurfte es erst des aufgedeckten Panama-Skandals, um schweres Geschütz aufzufahren? Die Befürchtung schwingt mit, dass mit dem Abnehmen der öffentlichen Erregung über Panama und andere Steuerbetrugsoasen die Sache, trotz wohlklingender Absichterklärungen, im Sande verläuft. Dazu darf es jedoch nicht kommen. Der Kampf gegen superreiche Trickser, gierige Politiker und kriminelle Finanzakrobaten ist längst überfällig. Sie nutzen die Verschwiegenheit und Willfährigkeit in den Betrugsoasen von Panama, den Cayman- oder Jungfern-Inseln, aber auch die Steueroase im US-Staat Delaware. Gegen diese, im Grunde asozialen Geschäftsmodelle muss endlich entschlossen und vereint vorgegangen werden. Denn sie ziehen Miliardensummen an Geld an, auf die anderswo Steuern gezahlt werden müssten. Wofür Uli Hoeneß in Deutschland in den Knast wanderte, betreiben gerissene Briefkastenfirmenvermittler im großen Stil. Dabei ist es ja nicht so, dass das Problem erst seit Panama existiert und auch erst jetzt dagegen vorgegangen wird. Bereits über 100 Länder haben sich dem internationalen Abkommen über den automatischen Informationsaustausch von Finanzkontendaten angeschlossen. Allerdings soll der Mechanismus erst im kommenden Jahr greifen. Panama und andere Staaten wollen bisher nicht mitmachen. Auch das bilaterale Steuerabkommen mit Deutschland hat der mittelamerikanische Staat auf Eis gelegt. Schäuble sollte nun mehr Druck machen, damit dieses Eis aufgebrochen wird. Empörung und Drohungen allein werden nicht ausreichen, wenn Steuerbetrugsoasen zu Transparenz gezwungen werden sollen. Außerdem beschränkt sich der Kampf nicht auf dubiose Finanzplätze in Übersee. Auch mehr als zwei Dutzend deutsche Banken haben ihren Kunden zumindest hilfreich beim mutmaßlichen Steuerbetrug via Briefkastenfirma beiseite gestanden. Von der Geldwäsche in Deutschland, etwa durch Investitionen in Immobilien, ganz zu schweigen. Dazu hat Schäuble allerdings nur wenig beziehungsweise gar nichts gesagt. Außerdem praktizieren diverse Großkonzerne Methoden "aggressiver Steuerplanung", dass es ehrlichen Steuerzahlern den Atem verschlägt. Mittelständler ohne große Finanzabteilung, Handwerker, kleine Einzelhändler und erst recht Arbeitnehmer, denen der Fiskus direkt in die Lohntüte greift, haben solche Möglichkeit, den Staat zu betrügen, nicht. Es ist also nur fair, die illegale Nutzung von Briefkastenfirmen zu vereiteln. Bär und Tiger übrigens kamen nicht bis Panama, sondern landeten wieder zu Hause. Glücklicher als zuvor.
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