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Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu Syrien

Regensburg (ots)

von Claudia Bockholt, MZ

Omran Daqneesh soll der kleine Kerl heißen, dessen Bild um die Welt geht. Der Fünfjährige sitzt auf einem orangefarbenen Plastiksitz in der Ambulanz, die nackten Beinchen ragen kaum über den Sitzrand. Der zarte Junge steht sichtbar unter Schock, fasst sich an den Kopf - und weiß nicht wohin mit der blutverschmierten Hand. Im versehrten Körper des Kindes manifestiert sich das ganze Leiden der Zivilbevölkerung im syrischen Krieg. Das Bild geht jedem, der einen Funken Empathie besitzt, an die Nieren. Bewirken wird es nichts. Der Junge hat einen Luftangriff im von Rebellen besetzten Viertel Qaterji in Aleppo überlebt. Vielleicht sind seine Eltern und Geschwister unter Trümmern gestorben. Immerhin: Omran lebt. Weniger Glück hatte Aylan Kurdi, dessen an den Strand gespülter Körper im Herbst 2015 Symbolbild der Flüchtlingskrise wurde. Der hübsche, tote Aylan in der kurzen blauen Hose und dem roten T-Shirt: Er schien Ikone zu werden. In der Zwischenzeit sind viele weitere Kinder auf der Flucht gestorben. Ihre Namen haben wir nicht erfahren. Und das Foto des bäuchlings im Sand liegenden syrischen Jungen, um den Tausende weinten, ist furchtbar schnell verblasst. Aylans Tod hat die Welt und die Menschen nicht besser oder klüger gemacht. Bis heute hat Europa keine plausible Antwort auf die Frage, wie es mit Menschen umgehen will, die ihre Heimat verlassen, weil sie sich eine bessere Zukunft wünschen. Flüchtlinge sind zur politischen Manövriermasse geworden, zum Druckmittel, zur Währung im neuen kalten Krieg zwischen Ost und West, Orient und Okzident, Arm und Reich. Und neben Raketen und Macheten sind Bilder die neuen Waffen in diesem weltumspannenden Krieg. Schon seit Menschengedenken war immer jedes Mittel recht, den Gegner zu diskreditieren oder ihm Angst einzuflößen. Und so inszenieren sich heute der selbsternannte "Islamische Staat" und seine in Allmachtsfantasien schwelgenden Anhänger auf allen Kanälen als stahlharte Killer mit perfidesten Tötungsmethoden. Das ins Bild gesetzte Grauen hat maßgeblichen Anteil an der hohen Suggestivkraft dieser Mörderbande. Wo Bilder zur Waffe werden, muss man ihnen mit Skepsis begegnen. Vielleicht heißt Omran gar nicht Omran. Es wäre nicht das erste Mal, dass verletzte und getötete Kinder instrumentalisiert werden. Im syrischen Krieg, mit seiner schier unüberschaubaren Menge von Kriegsparteien und -motiven, ist es leicht, die Öffentlichkeit zu manipulieren. Für Medien außer Landes ist es nahezu unmöglich, Quellen zu verifizieren, Tote eindeutig zuzuordnen. Man kann seinen Augen nicht ohne Weiteres trauen. Das tausendfache Sterben von Kindern auf dem Schlachtfeld Syrien allerdings ist Fakt. Getötet werden sie, gezielt oder als "Kollateralschaden", von syrischen oder russischen Waffen, von Oppositionellen, Rebellen, IS, Hisbollah - oder einfach von Krankheiten, die nicht behandelt werden, weil Hilfe nicht mehr durchdringt. Omran hat die Welt für einen Moment daran erinnert, was in Syrien seit mittlerweile fünf Jahren vor sich geht. Auch sein Gesicht wird man vergessen in diesen Tagen allgegenwärtiger abstumpfender Gewalt. Die Menschheit gibt ein trauriges Bild ab. Viele schauen weg, weil sie die Hoffnungslosigkeit nicht ertragen können. Tiefen Respekt muss man Menschen wie dem Kabarettisten Christian Springer zollen, die Hilfsprojekte auf die Beine stellen, bittere Rückschläge erleiden, sich aber von Wut und Trauer nicht in die Apathie treiben lassen. Seine persönliche Devise wäre ein starkes Motto für die Bemühungen der Weltgemeinschaft um Frieden für Syrien: "Weitermachen, weitermachen, weitermachen!"

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