Mittelbayerische Zeitung: Mehr Respekt, weniger Parolen
CSU-General Scheuer sollte öfter so auftreten wie in Lappersdorf. Das täte dem politischen Klima gut. Leitartikel von Sebastian Heinrich
Regensburg (ots)
Es ist ein gewöhnungsbedürftiger Anblick: Andreas Scheuer, das CSU-Raubein, als Talkmaster, der mit Gästen über die großen Themen unserer Zeit redet - und einmal nicht austeilt gegen Brüssel, Flüchtlinge oder angeblich faule EU-Migranten. Natürlich, die christsoziale Talkrunde mit dem etwas bizarren Namen "Andreas Scheuer Guests and Friends" am Dienstagabend in Lappersdorf war wohlinszeniert. Streit war fast nicht möglich, weil die Gäste bei den meisten Themen ohnehin auf CSU-Linie waren. Trotzdem: Die gemäßigte, dialogbereite Haltung, die Scheuer an diesem Abend zur Schau gestellt hat, sollten der Partei-Lautsprecher und andere führende CSU-Politiker öfter zeigen. Und zwar nicht nur vor hunderten Parteifreunden, sondern auch in ihren Auftritten auf der großen politischen Bühne. Damit würde Sie sich selbst helfen - und dem gesellschaftlichen Klima in Deutschland. Für die CSU selbst wären mehr konstruktives Auftreten und weniger scharfe Parolen gut, weil sie sich so klar von der AfD abgrenzen kann. Damit würde die Partei ihr Profil schärfen. Sie würde klarmachen, dass sie eine konservative Partei ist - auch konservativer als die CDU - aber dass Fremdenfeindlichkeit und völkisches Denken in ihren Reihen keinen Platz haben. Sie könnte den Wählern auch über das Auftreten ihrer Spitzenleute zeigen, was der Unterschied ist zwischen einer verantwortungsbewussten Regierungspartei und populistischen Panikmachern. Jedes Mal, wenn Scheuer gegen Asylurlauber oder EU-Bürokraten keilt, dann verschwimmt der Unterschied zur AfD. Mehr konstruktive Rhetorik, weniger Gift und Angstmache: Das täte nicht nur der bayerischen Regierungspartei gut, sondern auch dem politischen Klima im ganzen Land. Es ist ja das gute Recht der CSU, auf ihren Standpunkten in der Asylpolitik zu beharren, ohne Kontroversen dieser Art würde die Demokratie sterben. Aber wenn Scheuer entwürdigende Sprachbilder verwendet wie das vom fußballspielenden, ministrierenden Senegalesen, den man nicht mehr abschieben könne, dann durchbricht er eine Untergrenze des Anstands und des menschlichen Respekts. Wer - wie zuletzt Markus Söder - den Neid bedürftiger deutscher Rentner auf minderjährige Flüchtlingen heraufbeschwört, zündelt mit der ohnehin explosiven Stimmung in Deutschland. Dabei beweisen ja viele CSU-Politiker Tag für Tag, dass ihnen verantwortungsvolles Handeln wichtiger ist als schneidige Parolen. In den Kommunen und Bezirken, in München und in Berlin. Gerade in der Bewältigung der Flüchtlingskrise, diesem großen Streitthema, haben viele von ihnen pragmatisch gehandelt, die Versorgung der Ankommenden organisiert. Eine CSU, die mit weniger Schärfe und mehr Respekt debattiert, verzichtet ja deswegen nicht auf den Streit um heikle Themen. Natürlich müssen die Debatten etwa um Integration, Migration und religiösen Fanatismus weitergeführt werden. Natürlich ist in dieser Debatte eine Partei wichtig, die den bürgerlich-konservativen Teil der Bevölkerung repräsentiert. Und es ist sehr gut für die demokratische Kultur, wenn die Unterschiede zwischen den politischen Parteien wieder deutlicher werden. Aber wer auf Ängste in der Bevölkerung mit Panikmache und dem Schüren von Ressentiments antwortet statt mit Lösungsvorschlägen, der handelt unverantwortlich. Und das hat die CSU auch gar nicht nötig.
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