Mittelbayerische Zeitung: Stunde der Ermittler
Erst wenn der Attentäter von Berlin gefunden ist, können politische Konsequenzen gezogen werden.
Regensburg (ots)
Das Land steht weiter unter Schock. Kurz vor Weihnachten, das eigentlich ein Fest des Friedens und der Freude über die Geburt Jesu sein soll, machen sich viele Menschen Sorgen, haben Fragen und Ängste. Die Vorfreude auf die Festtage wird erheblich getrübt. Und in die Trauer um die Todesopfer und die vielen Verletzten des Anschlags am Berliner Breitscheidplatz mischt sich nun zunehmend die politische Debatte um Konsequenzen aus dem furchtbaren Geschehen. CSU-Chef Horst Seehofer gab, nur wenige Stunden nach dem Attentat, die Richtung vor, als er von einer "Neujustierung" der Zuwanderungs- und Sicherheitspolitik sprach. Dem Wortsinne nach bedeutet Justieren das möglichst exakte Einstellen eines Instruments durch einen fachmännischen Eingriff. Es ist wohlgemerkt von Fachleuten die Rede. Das gilt sinngemäß ebenso für die Politik, in der man sich vor Dilettanten, die nur mit oberflächlichem Wissen ausgestattet sind, oder vor populistischen Vereinfachern hüten sollte. Allerdings geht es hier nicht um Wortklauberei, sondern um äußerst brisante sicherheitspolitische Maßnahmen, die Schaden, etwa durch terroristische Anschläge gegen die Bevölkerung, möglichst verhindern sollen. Das Leben und die Würde seiner Bürger zu schützen, ist die oberste Aufgabe des Staates. So bestimmt es das Grundgesetz. Freilich hilft dieser allgemeine Verfassungsgrundsatz nicht viel weiter bei der konkreten Ausgestaltung von Sicherheits-, Zuwanderungs- und Flüchtlingspolitik. Der Staat hat sich angesichts solch schlimmer Herausforderungen jedesmal als stark und handlungsfähig erweisen. Wichtig in dieser undurchsichtigen, angespannten Situation ist es vor allem, Schritt für Schritt vorzugehen. Jetzt ist die Stunde der Ermittler, nicht die der Schnellschützen mit wohlfeilen Forderungen, die sie schon immer mal abfeuern wollten. Erst wenn der oder die Täter und mögliche Hintermänner des Berliner Anschlags gefunden worden sind, können verantwortungsvoll und sachgerecht politische Konsequenzen gezogen werden. Die Ermittler brauchen für die Aufklärung des schrecklichen Terroranschlags auf den Weihnachtsmarkt zuerst einmal Ruhe, die nötigen Ressourcen sowie die Mithilfe der Bevölkerung. Im herausragenden konkreten Fall scheint all das gegeben. Nun sollten auch die Öffentlichkeit, die Medien, die schwatzhaften Kommentatoren in sozialen Netzwerke, die Politik die Geduld aufbringen, auf handfeste Ermittlungsergebnisse warten. Leider tobt innerhalb der großen Koalition jetzt jedoch ein Streit um die richtigen Schlussfolgerungen aus dem blutigen Berliner Anschlag. Das ist nicht gut und verunsichert die Menschen zusätzlich. CDU und vor allem CSU schieben der SPD sowie der rot-grün dominierten Länderkammer den Schwarzen Peter zu. Etwa, weil die Abschieberegelung für nordafrikanische Staaten blockiert wird oder Duldungen von abgelehnten Asylbewerbern zu großzügig gehandhabt werden. In jedem Detail mag ein Körnchen Wahrheit stecken, doch das tiefer gehende Problem steckt doch vor allem in der unzureichenden Zusammenarbeit der unterschiedlichen Behörden, der verschiedenen Ebenen und Bundesländer. Auch in mangelhafter internationaler Kooperation der Sicherheitsbehörden. Deutschland hat seine Sicherheitsgesetze unter dem Eindruck der Flüchtlingswelle seit dem Spätsommer 2015 mehrfach verschärft. Wir haben kein Gesetzgebungsdefizit, sondern offenbar gravierende Mängel in der Umsetzung. Das liegt einmal an der ausufernden Bürokratie, die um Ausländer und Flüchtlinge herum installiert wurde. Aber hier und da mag auch der Wille fehlen, Gesetze wirklich durchzusetzen.
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