Mittelbayerische Zeitung: Sicherheit kostet Geld
Mit schärferen Gesetzen allein fängt man keine Islamisten. Dafür braucht man eine schlagkräftige Polizei.
Regensburg (ots)
Ausweitung der Abschiebung, elektronische Fußfessel für Gefährder, Sanktionen für nordafrikanische Staaten, die abgelehnte Asylbewerber nicht zurücknehmen: Nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt überbieten sich die Parteien mit Vorschlägen, wie der Staat dem Terrorismus beikommen soll. Die innere Sicherheit wird zu einem Top-Wahlkampfthema. Doch anstatt zu fragen, wie der Staat das Übel an der Wurzel packen kann, reagieren die Parteien mit Reflexen, die politische Tatkraft suggerieren sollen. Abschiebehaft für Gefährder - das hatte bereits die CSU im vergangenen Jahr nach den Anschlägen in Würzburg und Ansbach verlangt. Passiert ist bislang jedoch nichts. Nun haben Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und SPD-Justizminister Heiko Maas diese Forderung wieder hervorgekramt. Sie klingt ja auch vielversprechend. Kein Bürger kann nachvollziehen, warum ein sogenannter Gefährder, dessen Asylantrag abgelehnt wurde, nicht sofort in Abschiebehaft genommen wird. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ihren Minister de Maizière an die vorderste Anti-Terror-Front beordert hatte, kündigte gestern bei der Jahrestagung des Beamtenbunds schnelle Konsequenzen aus dem Berliner Anschlag an. Der Staat dürfe nicht in Ankündigungen stecken bleiben, sondern müsse Flagge zeigen. Man darf gespannt sein, in welcher Phase wir uns in neun Monaten - kurz vor der Bundestagswahl - befinden werden. Dabei müssen die politischen Akteure leider einkalkulieren, dass bis dahin weitere Anschläge verübt werden. Die Terroristen zielen nicht nur auf Menschen, sondern auf Freiheit und Demokratie. Die Islamisten würden es sich mit größter Genugtuung auf die Fahnen schreiben, falls die Angst irgendwann über unsere Grundwerte siegt. Und sie würden in Triumphgeheul ausbrechen, wenn es ihnen gelänge, durch Terror eine Bundestagswahl zu beeinflussen. Mit schärferen Gesetzen wird man den Islamisten nicht Herr werden. Das zeigt das Beispiel des Berliner Attentäters Anis Amri, der die deutschen Behörden mit 14 verschiedenen Identitäten in die Irre führte. Dass er schließlich bei einer Polizeikontrolle in Mailand erschossen wurde, nachdem er vorher noch einmal quer durch halb Europa gefahren war, ist ein Fahndungserfolg von Kommissar Zufall. Der Fall Amri legt eine große Schwachstelle offen: Die europäische Islamistenszene ist offensichtlich besser vernetzt, als die Sicherheitsbehörden in der EU. Außerdem wird deutlich, dass es beim Informationsaustausch zwischen Länderbehörden und dem Bund gewaltig hakte. Auch das ist nicht ganz neu. Bereits die unsäglichen Pannen bei der Aufklärung des rechtsextremistischen NSU-Terrors legten die Schwachstellen bei der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden offen. Durch eine Fußfessel wird sich ein Selbstmordattentäter nicht von seinem Plan abbringen lassen. Und für eine Abschiebehaft muss die Polizei des Gefährders erst einmal habhaft werden. Wenn eine Behörde dann die Freilassung anordnet, weil er keinen Pass hat - wie im Fall Amri - läuft auch diese Maßnahme ins Leere. Vielleicht erreicht die Bundesregierung Rücknahmeabkommen mit den Maghreb-Staaten, wo sich schon jetzt heftiger Widerstand in der Bevölkerung gegen derartige Rückführungen regt. Dann muss die Politik allerdings auch ehrlich sagen, dass man das Terrorproblem wieder in die Herkunftsländer der Gefährder exportiert. Und außerdem: Niemand kann garantieren, dass abgeschobene Islamisten nicht wieder nach Deutschland zurückkehren. Mit Gesetzespaketen allein fängt man keine Terroristen. Dafür braucht man auch eine funktionierende Polizei. In Bayern mussten jedoch bereits Dienststellen vorübergehend geschlossen werden, weil die Beamten an die österreichische Grenze abkommandiert wurden - für Kontrollen, die ein größeres Sicherheitsgefühl vorgaukeln. Wer jedoch schlagkräftige Terror-Fahnder will, muss vor allem Geld springen lassen - für mehr Personal.
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