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Mittelbayerische Zeitung: Europas Antwort
Eine protektionistische Haltung erfreut sich nicht nur in den USA immer größerer Beliebtheit. Leitartikel von Daniela Weingärtner

Regensburg (ots)

Keine Zeile wäre die Nachricht in normalen Zeiten wert gewesen: Der Handelsausschuss des Europaparlaments hat gestern das Freihandelsabkommen CETA mit Kanada gebilligt - 25 Abgeordnete stimmten dafür, 15 dagegen. Da die Zeiten alles andere als normal sind, erhielt der Vorgang große mediale Aufmerksamkeit, obwohl die entscheidende Abstimmung im Plenum erst im Februar stattfinden wird. Für Konservative und Sozialisten, die größten Parteien im Europaparlament, ist CETA ein positives Beispiel dafür, wie Globalisierung sozialverträglich gestaltet werden kann. Zwischen handelspolitischer Totalabschottung à la Trump und Le Pen und sozialer Utopie à la Grüne und Linkspartei sehen sie sich als die ausgleichenden Kräfte der Mitte, die Chancen weltweiten freien Handels mit den nötigen rechtlichen Schutzmechanismen kombinieren. Die Liberalen, die Freihandel ohne Wenn und Aber für eine gute Sache halten, würden am Liebsten noch weiter gehen. Die EU solle den vom neuen US-Präsidenten freiwillig geräumten Platz im Pazifikabkommen TPP einnehmen, fordert der Abgeordnete Michael Theurer. Schließlich verhandle die EU ja schon mit Australien, Neuseeland und Japan über bilaterale Freihandelsabkommen. Warum dann nicht gleich Nägel mit Köpfen machen und damit China zuvor kommen, das ebenfalls Interesse angemeldet hat, dem TPP beizutreten? Die schlichte Antwort lautet: Weil CETA - wenn es überhaupt alle Hürden nehmen kann - auf absehbare Zeit das letzte Freihandelsabkommen sein dürfte, das in der EU politisch durchsetzbar ist. Gegner des weltweit unbeschränkten Handels haben nicht nur in den USA Trump an die Macht gebracht, sie werden auch in Europa immer zahlreicher. Diese verwirrende, sich immer schneller drehende Welt zu stoppen oder wenigstens zu bremsen, scheint immer mehr Wählern ein verlockender Gedanke zu sein. Als nach Deutschland weitgrößter EU-Staat spielt Frankreich eine Schlüsselrolle bei der Frage, wie es mit Europa weitergeht. Da ist es bezeichnend, dass keiner der drei Favoriten für die Präsidentschaftswahl - Marine Le Pen, Francois Fillon und Benoit Hamon - sich für freien Welthandel einsetzt. Im traditionell weltoffenen Holland könnte Le Pens Seelenverwandter Geert Wilders bei den Parlamentswahlen im März die meisten Stimmen holen. Und beim Schmusekurs mit Wladimir Putin wissen Trump, Le Pen und Wilders auch Fillon sowie Ungarns Premier Victor Orban an ihrer Seite. Eine internationale Allianz derer, die nationalen Egoismus über alle anderen Werte stellen, scheint ein Widerspruch in sich. Auch dass Theresa May dem europäischen Bündnis rasch entkommen, aber andererseits möglichst schnell neue internationale Handelsverpflichtungen eingehen möchte, ist widersinnig. Die Wähler scheint all das nicht zu stören. Sie wollen glauben, dass eine Rückkehr in übersichtlichere, vermeintlich goldene Zeiten möglich ist. Sollte die EU den postfaktischen oder parallelfaktischen Versprechungen nicht ein beherztes Bekenntnis zu Weltoffenheit und Freihandel entgegensetzen? Das wird schon daran scheitern, dass es "die EU" nicht gibt und ihre Mitglieder sich nicht einig sind, wie sie mit dem neuen US-Präsidenten und seiner protektionistischen Haltung umgehen sollen. Allen, die weiter von der europäischen Idee überzeugt sind, bleibt nur, auf den Abschreckungseffekt zu hoffen. Der Brexit hat bereits viele zum Nachdenken darüber gebracht, ob ein Alleingang in global vernetzten Zeiten nicht ein teuflisch riskantes Unternehmen ist. Sollte Trump ein ähnlich hilfloses Bild abgeben wie Theresa May, haben die europäische Einigung und das weltweite Handeltreiben vielleicht schon bald wieder Konjunktur.

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