Mittelbayerische Zeitung: Zurück nach Afghanistan
Leitartikel zur "Sammelabschiebung"
Regensburg (ots)
Nichts ist gut in Afghanistan, bilanzierte vor sieben Jahren bereits die damals oberste deutsche Protestantin Margot Käßmann. Für ihre bittere, aber zutreffende Einschätzung wurde die damalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland heftig kritisiert. Kein Blatt vor den Mund über die schlimmen Zustände im Land am Hindukusch nimmt auch der ehemalige Bundeswehrarzt Reinhard Erös, der mit seiner "Kinderhilfe Afghanistan" wirkliche humanitäre Hilfe in dem geschundenen Land leistet. Auch der Hohe Flüchtlingskommissar der Uno hat eine Verschärfung der Lage festgestellt. Dass die deutsche Afghanistan-Politik eine herbe Niederlage erlitten hat, wird jedoch von der Bundesregierung nur hinter vorgehaltener Hand eingeräumt. Dass nun ausgerechnet anderthalb Wochen vor der Bundestagswahl wiederum eine Sammelabschiebung, diesmal von Düsseldorf nach Kabul, stattfindet, wirft viele Fragen auf. Soll mit einer solchen Demonstration von Härte gezeigt werden, dass es die Union mit der Abschiebung von Straftätern - um solche soll es sich bei den zwölf abgeschobenen Personen handeln - ernst meint? Will sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière, dem der CSU-Kandidat für das Innenressort in Berlin, Joachim Hermann, im Nacken sitzt, als "harter Hund" präsentieren? Will die Union mit einer solchen Aktion der rechtspopulistischen Anti-Asyl-AfD den Wind aus den Segeln nehmen? Im Wahlkampf haben solche vordergründigen Demonstrationen von Härte eigentlich nichts zu suchen. Dabei sollte es nach dem verheerenden Anschlag vom Mai, bei dem im streng abgeschirmten Diplomatenviertel von Kabul über 150 Menschen getötet wurden und die deutsche Botschaft schwer beschädigt worden war, vorerst keine Abschiebungen an den Hindukusch mehr geben. Auch hat das Nürnberger Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Entscheidungen über die rund 30 000 Asylanträge von Afghanen vorerst ausgesetzt, was durchaus vernünftig ist. De Maizière nahm von diesem Abschiebestopp allerdings ausdrücklich drei Gruppen aus: Straftäter, sogenannte Gefährder sowie Personen, die ihre Identität nicht preisgeben wollen. Auch das ist sinnvoll. Diese Unterscheidung ist wichtig, selbst wenn sie die vehemente Kritik von Menschenrechtsgruppen, von Linken und Grünen nicht besänftigen wird. Die sind völlig gegen Abschiebungen nach Afghanistan. Die Sicherheitslage am Hindukusch ist generell zu gefährlich, um massenhaft abgelehnte Asylbewerber wieder in ihre Heimat zurückzuschicken. Bei Straftätern, die in Deutschland gegen Recht und Gesetz verstoßen haben, bei potenziellen Terroristen, die in ihrem Gastland Anschläge verüben wollen, sieht das freilich anders aus. In solchen Fällen können Abschiebungen das Anschlags- und Gewaltrisiko in Deutschland sogar verringern. Der Staat wäre töricht, in solchen Fällen auf das Instrument von Abschiebungen völlig zu verzichten. Dabei sind Abschiebungen aus Deutschland nur ein kleines Steinchen im düsteren Mosaik von Afghanistan. Weite Teile des Landes werden wieder von islamistischen Taliban, dem IS oder Warlords beherrscht. Die sind teilweise in jene Lücken und Gebiete vorgestoßen, die von Nato-Kampftruppen, auch deutschen, bei ihrem Rückzug vor drei Jahren hinterlassen worden waren. US-Präsident Donald Trump will angesichts des Desasters nun die Lage mit mehr Soldaten und Waffen unter Kontrolle bekommen. Wie schon seine beiden Vorgänger. Trump will eine gescheiterte Politik unter neuen Vorzeichen fortsetzen. Dabei braucht Afghanistan nicht mehr ausländische Soldaten, sondern viel mehr zivilen Aufbau, eine leistungsfähige Landwirtschaft, um dem Nahrungsmangel zu begegnen und um eine Alternative zum Drogenanbau zu haben. Die Afghanen brauchen sauberes Trinkwasser, Schulen und Krankenhäuser. Sie brauchen Arbeit, von der sie friedlich leben können. Man könnte sagen: Die Ursachen der Flucht nach Deutschland müssen an der Wurzel bekämpft werden.
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