Mittelbayerische Zeitung: Der Ausweg führt nicht nach rechts
Ein Kommentar der Mittelbayerischen Zeitung zur Lage der Union
Regensburg (ots)
Wie lange macht sie das noch? Wer CDU und CSU im Dezember 2017 beobachtet, dem drängt sich diese Frage über Angela Merkel auf. Es gibt zwei realistische wie unspektakuläre Antworten darauf: Gibt es einen Regierungsdeal mit der SPD, dann regiert Merkel noch bis 2021 und hört dann auf. Gibt es keinen Deal, dann ist das Merkels politisches Ende. Die viel spannendere Frage ist aber die nach der Zukunft von Merkels Parteienfamilie. Die Unionsparteien müssen sich baldmöglichst auf die nächsten Bundestagswahlen vorbereiten - ob sie nun in drei Monaten stattfinden oder in drei Jahren. Es geht für CDU und CSU darum, ob sie sich vom schlechtesten Ergebnis ihrer Geschichte wieder erholen, ob sie auch in Zukunft Volksparteien sind. Eines steht dabei fest: Der AfD hinterherzurennen ist die falsche Taktik. AfD-Wähler zurückgewinnen, das werden Christdemokraten und Christsoziale natürlich versuchen. Alles andere wäre ja auch fahrlässig, das legt ein Blick auf die Zahlen zur Wählerwanderung im September nahe: Etwa eine Million Menschen sind mit ihrem Kugelschreiber auf dem Wahlzettel ein paar Zentimeter weiter nach unten gerutscht als vier Jahre davor, vom CDU- oder CSU-Kreis zu dem bei den Rechtspopulisten. Aber die Wählerbefragungen verraten auch etwas Anderes: 63 Prozent derer, die AfD gewählt haben, haben das in erster Linie aus Protest gegen die anderen Parteien getan - und nicht aus Überzeugung für die Rechtsalternativen. Bei der Wählerwanderung sollte man auch dies berücksichtigen: Zählt man die Wähler zusammen, die 2013 SPD, Grüne oder Linke gewählt hatten und 2017 AfD, kommt man auf über eine Million Menschen. Die AfD hat von Mitte-Links fast genauso viel Zulauf bekommen wie von Mitte-Rechts. Stark gemacht hat die Rechtspopulisten die Verunsicherung der Menschen. Den niedrigsten Stimmenanteil hatte die Partei bei Beamten, den höchsten bei Arbeitslosen und Arbeitern. Die AfD punktet, indem sie Feindbilder bietet: Flüchtlinge! Der Islam! Es wäre schäbig, wenn die Union diese Parolen nachplapperte - und es würde ihr nicht nützen, zumindest langfristig nicht. Denn Hetzparolen lösen ja die Probleme der Menschen nicht. Die richtige Option für die Union sind echte Lösungen. Die sind kompliziert und langwierig, aber wirksam: Investitionen in Polizei und Justiz; eine Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, die die Chancen für sozial Schwache deutlich stärkt; eine Steuerpolitik, in der Gerechtigkeit und wirtschaftliche Vernunft austariert sind; eine Migrationspolitik, die Kontrolle und Humanität verbindet. Zur Wahrheit gehört auch, dass die Union unter Angela Merkel manche traditionelle Position verlassen hat. Ein schnellerer Atomausstieg, die Aussetzung des Wehrdiensts: Entscheidungen, die unter Helmut Kohl undenkbar gewesen wären, wurden unter Angela Merkel Realität. Das liegt aber nicht daran, dass Merkel Sozialdemokratin wäre. Sie ist Pragmatikerin. Sie hat ihre Positionen meist dann gewechselt, wenn sich das politische Klima im Land verändert hat. In der Flüchtlingspolitik ist sie ja genau deswegen längst wieder nach rechts gerückt: Seit 2015 ist das Asylrecht so massiv verschärft worden wie seit der Grundgesetzänderung von 1993 nicht mehr. Vor der Union liegt ein beschwerlicher Weg: Um in der zerklüfteten politischen Landschaft des heutigen Deutschland als Volkspartei zu bestehen, muss die Union die Balance suchen zwischen alt-konservativen Traditionen und neu-konservativen Ideen. Aber wenn sie einfach stehenbleibt und sich nach rechts neigt, dann kippt sie früher oder später um.
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