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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Alexander Gerst: Ein Glücksfall für die Raumfahrt von Louisa Knobloch

Regensburg (ots)

Gründlich durchgecheckt steht sie da und wartet auf den Start - alles klar!" Dass Alexander Gerst kurz vor seinem Start mit einer Sojus-Rakete zur Internationalen Raumstation ISS gestern eine Liedzeile aus "Major Tom" twittert, ist beispielhaft für die sympathische, nahbare Art, mit der der 42-jährige Astronaut die Menschen in Deutschland und ganz Europa für die Raumfahrt begeistert. Schon bei seinem ersten ISS-Einsatz 2014 schickte er über die sozialen Netzwerke faszinierende Bilder des blauen Planeten an die Daheimgebliebenen, allein auf Twitter hat er 1,1 Millionen Follower. Diesmal wird er als Kommandant der ISS zeitweise sogar noch mehr Verantwortung übernehmen. Gerst ist ein Glücksfall für die Europäische Weltraumorganisation ESA und für die Raumfahrt generell. Es sind Menschen wie er oder der Gitarre spielende kanadische Astronaut Chris Hadfield, die es schaffen, bei einer breiten Öffentlichkeit Interesse für den Weltraum und die Forschung auf der ISS zu wecken. Das ist auch deshalb wichtig, weil Raumfahrtprogramme teuer sind und sich manch einer fragt, ob das Geld auf der Erde nicht besser angelegt wäre. Fakt ist: Allein Aufbau und Betrieb der Internationalen Raumstation kosten viele Milliarden. Und doch lohnen sich die Ausgaben. Alexander Gerst und seine Kollegen führen auf der ISS zahlreiche Experimente durch, die nirgendwo sonst möglich sind und deren Ergebnisse auch den Menschen auf der Erde zugutekommen. Beispielsweise untersuchen sie, welchen Einfluss die Schwerelosigkeit auf die Knochen und das Knochenmark hat. Davon könnten laut ESA ältere oder bettlägerige Menschen profitieren, die an Osteoporose leiden. Die Langzeitaufenthalte auf dem Außenposten der Menschheit in rund 400 Kilometern Höhe sind zudem wichtig, um Erkenntnisse für geplante, längere Raumflüge - etwa zum Mars - zu gewinnen. Die ISS ist zudem ein wunderbares Beispiel für Völkerverständigung: Lieferten sich die USA und die Sowjetunion in den 1950er und 1960er Jahren noch einen "Wettlauf ins All", arbeiten heute US-Amerikaner und Russen mit Europäern, Japanern und Kanadiern auf der ISS friedlich und produktiv zusammen. Auch die verschiedenen Wohn- und Arbeitsmodule, aus denen die ISS besteht, wurden von den beteiligten Nationen beigesteuert. Alexander Gerst forscht etwa im europäischen Labormodul "Columbus". Zu den Sternen zu fliegen - davon hat die Menschheit über Jahrtausende geträumt. Heute haben wir die technischen Möglichkeiten dazu und sollten sie auch nutzen. Während es für manche darum geht, ihre Abenteuerlust zu befriedigen - bislang reisten sieben Weltraum-Touristen zur ISS -, werden Menschen wie Gerst von unbändiger Neugier und Forschergeist getrieben. Denn die Raumfahrt ermöglicht es uns, mehr über uns selbst zu erfahren - über die Entstehung des Universums und unserer Erde. Was deren Zukunft anbelangt, war der berühmte Astrophysiker Stephen Hawking gegen Ende seines Lebens wenig optimistisch. Der Klimawandel, das Bevölkerungswachstum, globale Epidemien oder Einschläge von Asteroiden könnten die Erde bereits in 100 Jahren unbewohnbar machen, warnte er. Um zu überleben, müsse die Menschheit bald fremde Planeten besiedeln. Ob das irgendwann einmal gelingt, ist nach heutigen Maßstäben allerdings fraglich. Selbst kleine, dauerhaft bewohnte Habitate auf dem Mond oder Mars wären ein schon ein großer Schritt. Doch auch hier kann Gersts Mission ein Beispiel geben: Der neue Blick, den er uns über seine Fotos von der ISS aus auf unseren Planeten ermöglicht, macht klar: Wir alle sind - trotz unterschiedlicher Nationalitäten, Hautfarben oder Religionen - Erdenbürger. Und diesen einen, kostbaren Planeten, den wir unser Zuhause nennen, sollten wir beschützen.

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