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Mittelbayerische Zeitung: Löw hat zu viel Macht
Der Bundestrainer macht trotz des Debakels bei der WM weiter. Dass er das selbst entscheiden durfte, ist falsch. Von Jürgen Scharf

Regensburg (ots)

Vielleicht werden in ein paar Jahren die anderen Fußball-Nationen wieder mit Ehrfurcht über Deutschland reden. Darüber, dass sie doch selbst auch gerne die Ruhe und das Rückgrat gehabt hätten, einen Nationaltrainer trotz eines großen Misserfolgs zu behalten - und mit dem dann wieder Erfolge feiern. Vielleicht werden sie in ein paar Jahren aber auch spotten und sagen: Deutschland verliert und verliert - und dennoch bleibt alles beim Alten. Denn eines ist seit gestern klar: Den deutschen Bundestrainer Joachim Löw kann nur einer entlassen - Joachim Löw selbst. Und das ist ein völlig falsches Signal, das der Deutsche Fußball-Bund sendet. Im Fußball gibt es nichts, das ewig währt. In diesem Sport herrscht ein ständiges Kommen und Gehen, ein ständiges Reagieren auf Ergebnisse und Ereignisse. Das Schwierige dabei ist, dass keiner weiß, wie es gelaufen wäre, wenn er anders entschieden hätte. Ein Trainer kann sich nach einer Niederlage noch so oft die Frage stellen, was passiert wäre, wenn er andere Spieler aufgestellt hätte. Er wird die Antwort nie erfahren. Und weil das alles so schwierig ist, ist es meistens gut, wenn es eine klare Hierarchie gibt. Wenn der Klubchef den Sportchef bestimmt, der Sportchef den Trainer bestimmt, und der Trainer eigenverantwortlich die Spieler aufstellt. Beim Deutschen Fußball-Bund läuft es anders. Dort hat der Bundestrainer Joachim Löw nun eine Entscheidung gefällt - über sich selbst. Die Entscheidung, dass er trotz des blamablen Ausscheidens in der Vorrunde bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland im Amt bleibt. Und danach hat er dem Deutschen Fußball-Bund mitgeteilt, dass er bleibt. Er hat dem Verband, wie dieser gestern allen Ernstes schriftlich erklärte, "bestätigt, dass er seine Tätigkeit als Bundestrainer fortsetzen (...) möchte". Das klingt in etwa so, als wenn der Vorsitzende des FC Hinterholzkofen aus der B-Klasse 5 hofft, dass der Trainer der ersten Mannschaft bleibt, weil es schwierig werden könnte, unter den 200 Einwohnern im Dorf einen neuen zu finden. DFB-Präsident Reinhard Grindel und Teammanager Oliver Bierhoff haben damit öffentlich zur Schau gestellt, dass sie am liebsten nur reagieren, nicht aber agieren und regieren wollen. Beim Warten auf Löws Entscheidung demonstrierten sie - wie bereits in der Debatte um die Erdogan-Bilder von Mesut Özil und Ilkay Gündogan - wieder Rat- und Führungslosigkeit. Das Amt des Bundestrainers ist der zweifellos wichtigste Job beim Deutschen Fußball-Bund. Es ist unwürdig für einen Verband, der vier Weltmeister- und drei Europameisterpokale im Schrank hat, wenn er bei der Besetzung dieses Postens das Heft des Handelns völlig aus der Hand gibt. Löw hat sich durch seine erfolgreiche Arbeit zu Recht eine überaus komfortable Position im innerbetrieblichen Gefüge des DFB erarbeitet. Völlig autark über seinen Posten entscheiden zu dürfen, ist wirklich zu viel des Guten. Das nächste Mal abgerechnet wird nun in zwei Jahren nach der EM. Es kann mit Löw übrigens durchaus klappen, wieder erfolgreich zu sein. In erster Linie, so viel steht fest, müssen sich wegen der Pleite in Russland die Spieler hinterfragen. Wenn sie wirklich einen Coach der Marke harter Hund brauchen, damit sie in die Gänge kommen, sind sie fehl am Platz. Wenn sie ihre Leistung in Russland dagegen selbstkritisch überprüfen, könnte der besonnene Löw genau der Richtige sein, um das zweifellos vorhandene Potenzial demnächst wieder vollständig abzurufen. Es kann derzeit auf jeden Fall keiner das Gegenteil beweisen. Und wenn Deutschland in zwei Jahren Europameister wird - unmöglich ist das übrigens nicht -, darf sich der Verband zu Recht dafür feiern lassen, die Ruhe bewahrt und an dem zweifellos tollen Typen Löw festgehalten zu haben. Wenn es aber wieder schief geht, dann... ja, was dann eigentlich? Wieder nur Jogi fragen?

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