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Mittelbayerische Zeitung: Schwieriger Gast/Der Deutschland-Besuch Erdogans kann das schwer belastete Verhältnis zwischen beiden Staaten verbessern. Differenzen über Demokratie und Menschenrechte bleiben jedoch erhalten.

Regensburg (ots)

Ein Fisch kommt erst zur Vernunft, wenn er im Netz gefangen ist. So lautet ein türkisches Sprichwort. Vielleicht kann der jetzige Deutschland-Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan so etwas wie ein Schritt zu einer vernünftigeren, weniger von Allmachtsstreben geleiteten Politik sein. Die Hoffnung darauf jedenfalls ist mit der Deutschland-Visite etwas größer geworden. Doch das schwierige, arg belastete und widersprüchliche Verhältnis zwischen beiden Staaten ist damit noch lange nicht gut. Nicht vergessen sind jedenfalls Erdogans Attacken gegen Deutschland, dem er im Wahlkampf sogar Nazi-Methoden vorwarf, weil Auftritte türkischer Politiker in mehreren deutschen Städten untersagt worden waren. Die Inhaftierungen deutscher Staatsbürger und Journalisten unter der fadenscheinigen Begründung, sie hätten Terrorpropaganda betrieben, standen für einen weiteren Tiefpunkt in den deutsch-türkischen Beziehungen. Und immer wieder betrieb Ankara über diverse Organisationen, wie die umstrittene Moscheevereinigung Ditib, eine Art Alleinvertretungspolitik für die in Deutschland lebendenden Türken. Das gipfelte sogar darin, dass Deutsch-Türken zur Denunziation von Erdogan-Gegner in der Bundesrepublik aufgerufen wurden. All das schürte verständlicherweise das Misstrauen und die schroffe Ablehnung des jetzigen Besuchs des starken Mannes vom Bosporus in Berlin und Köln. Das Protokoll rollte dem türkischen Präsidenten zwar den roten Teppich aus, doch Erdogan ist und bleibt ein äußerst schwieriger Gast. Die tiefgehenden Differenzen über Demokratie und Menschenrechte zwischen Berlin und Ankara bleiben jedenfalls auch nach dem Staatsbesuch erhalten. Und wie dünn das Eis ist, zeigt der Fall des regimekritischen Journalisten Can Dündar, der in Deutschland im Exil lebt. In der Türkei drohen ihm mehrere Jahre Haft, weil er heimliche Waffenlieferungen nach Syrien aufdeckte. Allerdings hat sich seit den vorgezogenen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Türkei im vorigen Jahr einiges verändert. Zwar hat Erdogan de facto eine Präsidialdiktatur installieren können, doch das hat die inneren und äußeren Probleme nicht kleiner werden lassen. Im Gegenteil. Die türkische Wirtschaft und ihre Währung befinden sich auf Talfahrt. Die Inkompetenz von Erdogans Schwiegersohn Berat Albayrak als Finanzminister mag dazu beigetragen haben. Außerdem haben sich die Beziehungen zu den USA seit dem Amtsantritt von Donald Trump empfindlich abgekühlt. Die US-Sanktionen gegen die Türkei haben das Land nur noch tiefer in die Wirtschaftskrise gestürzt. Außerdem ist das Land heftig in den Syrien-Krieg verstrickt. Sollte es zum Sturm auf die syrische Region Idlib durch die Assad-Armee kommen, droht der Türkei eine neue Flüchtlingswelle von Hunderttausenden. Vor diesem Hintergrund kam nun auch kein machtstrotzender Präsident nach Deutschland, sondern eher ein angeschlagener. Erdogan ist sozusagen in einem Netz riesiger Probleme gefangen. Er braucht Berlin und Brüssel, um die gravierende wirtschafts- und außenpolitische Krise seines Landes wieder einigermaßen in den Griff zu bekommen. Aber natürlich tritt der "Boss vom Bosporus" deshalb nun nicht als Bittsteller auf, sondern kehrt den Partner Deutschlands und der übrigen Europäer heraus. Dies allerdings auch, weil ihm Moskau die kalte Schulter zeigt. Die Hoffnungen auf Hilfen von Wladimir Putin jedenfalls haben sich, trotz einer Wiederannäherung an den Kreml, zerschlagen. Berlin bleibt gegenüber Erdogan in Demokratie- und Menschenrechtsfragen allerdings richtigerweise prinzipienfest. Zugleich aber bietet sie dem Nato-Partner und Verbündeten in der Flüchtlingsfrage den Ausbau wirtschaftlicher Beziehungen an. Man kann das eine tun, ohne das andere zu lassen.

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