Mittelbayerische Zeitung: "Wird Trump noch extremer?" Leitartikel von Thomas Spang
Regensburg (ots)
Diesmal kann niemand sagen, er habe nicht gewusst, was auf dem Spiel stünde. Die vergangenen zwei Jahre Trumps im Weißen Haus bestätigten nicht nur die schlimmsten Befürchtungen. Es kam schlimmer als erwartet. Das Amt hat den Präsidenten nicht geläutert. Seine Partei konnte ihn nicht mäßigen. Und die Verbündeten scheiterten daran, den ungestümen Heißsporn einzuhegen. In den USA selbst vertiefte Trump die ohnehin schon vorhandenen Gräben in der Gesellschaft. Wie die vergangenen Wochen zeigten, droht die extreme Polarisierung jederzeit in offene Gewalt umzuschlagen. Dass ein "Super-Fan" des Präsidenten versuchte, Anschläge mit Briefbomben auf führende Kritiker Trumps zu verüben und ein weißer Nationalist in einer Synagoge in Pittsburg das schlimmste Massaker an Juden in der Geschichte der USA anrichtete, sind nur zwei Beispiele der jüngsten Vergangenheit. Politische Gewalt gehört in wachsendem Maße zum Alltag in Trumps Amerika. Statt Versöhnung zu suchen, Trost zu spenden und dem Terror gegen die Opposition eine klare Absage zu erteilen, gießt Trump weiteres Öl ins Feuer. Er hetzt gegen Flüchtlinge, missbraucht die Streitkräfte und übt sich in übelster Demagogie gegen seine Gegner. Dort, wo es seiner Führung bedurft hätte, bewies Trump zynische Amoralität. Nach dem Aufmarsch von Neonazis in Charlottesville verteidigte er die hasserfüllten Fackelträger. Bei dem Angriff auf die Integrität der amerikanischen Demokratie glaubt er Wladimir Putin mehr, als seinen Geheimdiensten. Und dem Massaker an der Highschool von Parkland begegnete er mit dem Vorschlag, noch mehr Waffen in Umlauf zu bringen. Dann gibt es die Taten, die zeigen, dass Wahlen Konsequenzen haben. Trump stieg aus dem Klimaabkommen aus, stürzte sich in Handelskonflikte mit der EU, den NAFTA-Staaten und China, stellte die Nato infrage, zündelte im Nahen Osten mit der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem, paukte den "Muslim-Bann" durch und zuckte beim mutmaßlichen Auftragsmord des saudischen Regimekritikers Jamal Khashoggi mit der Schulter. Dass die USA unter seiner Führung an der Grenze zu Mexiko Flüchtlingsfamilien zwangsweise trennten, markierte den Tiefpunkt der vergangenen beiden Jahre. Es kann nicht der geringste Zweifel daran bestehen, dass aus Trumps Worten Taten geworden sind. Die alles entscheidende Frage bleibt, was die Amerikaner daraus nun am heutigen Dienstag machen? Auch wenn der Präsident auf keinem Wahlzettel steht, gerät die Wahl der 435 Repräsentanten und 35 Senatoren zu einem Referendum über Trump. Es liegt nun in der Hand der Wähler, diesen Präsidenten mit einem Gegengewicht im Kongress in die Schranken zu weisen. Dafür müssen die Amerikaner ihre chronische Lethargie überwinden. Dass bei "Midterms" im Schnitt mehr Menschen zu Hause bleiben, als wählen zu gehen, illustriert das grundlegende Problem. Die gestiegene Beteiligung bei den Frühwahlen, vor allem von Frauen und jungen Wählern, lässt hoffen. Aber diese Hoffnung kann trügen, wie das Desaster der Demoskopen bei den Präsidentschaftswahlen 2016 belegt. Trumps toxische "Amerika-Zuerst"-Mischung aus weißem Nationalismus, Rassismus und Protektionismus mobilisierte stärker, als viele dachten. Sollte er damit erneut Erfolg haben, wird sich Trump ermuntert fühlen, noch extremer zu agieren. Deshalb kommt dem Ausgang dieser "Midterms" globale Bedeutung zu. Es geht nicht nur um die Mehrheiten im Kongress, sondern um die Zukunft der Demokratie in Amerika.
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