Mittelbayerische Zeitung: Klippen und Chancen. 2018 war reich an Turbulenzen, 2019 wird das nicht anders. Für einen CSU-Mann aus Niederbayern geht es um Alles. Und Söder arbeitet mit Sicherheitsnetz. Von Christine Schröpf
Regensburg (ots)
So jung das neue Jahr auch ist: Es verspricht, politisch nicht weniger klippenreich zu werden als 2018. Erster Stimmungstest ist die Europawahl im Mai, bei der sich zeigt, wie stark der Kontinent nach Rechts rückt. Nicht weniger aufschlussreich: Die Landtagswahlen im Herbst in den ostdeutschen Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Thüringen mit garantierten Folgebeben für die GroKo aus Union und SPD in Berlin. Keiner kann heute sicher sagen, ob Angela Merkel Ende 2019 noch Kanzlerin ist, wie sich im Fall ihres vorzeitigen Abgangs ein neues Bundeskabinett zusammensetzt und welchen Stellenwert mit welchem Personal danach die CSU einnimmt. Für Horst Seehofer rückt jedenfalls die Zeit näher, in der er auch als Bundesinnenminister Geschichte ist. Wenn Seehofer am 19. Januar als CSU-Chef zurücktritt und Markus Söder das Feld überlässt, gehört er offiziell nicht mehr zu den zentralen Figuren seiner Partei. Es darf bezweifelt werden, dass ein Alpha-Mann wie er damit zurecht kommt, sich fortan seinem Erz-Rivalen unterzuordnen. Söder wird Seehofer bis auf Weiteres nur deshalb einige Spielräume zugestehen, weil es ihm an einem adäquaten Nachfolgekandidaten für das Bundesinnenministerium mangelt. Joachim Herrmann, "Mr. Sicherheit" in Bayern, hat kein Verlangen nach dem Job. Nichtsdestotrotz ist der Unmut über Seehofer in der CSU zum Dauerzustand geworden. Er flackert bei jeder Gelegenheit neu auf, wie soeben, als sich der Bundesinnenminister nach den Prügelattacken auf Passanten in Amberg schnell für eine Verschärfung des Asylrechts stark machte. Das konterkarierte die von Söder deklarierte neue Linie, in der Asylpolitik sensibler zu agieren - als Lehre aus der verlustreichen Landtagswahl, bei der verprellte Konservative zu den Grünen abwanderten. Die Wunden, die die 37,2-Prozent-Niederlage im Herbst 2018 geschlagen hat, sind weiter frisch - und können nicht verheilen, solange neue Umfragen keine Trendwende versprechen. Die CSU krebst aktuell noch immer bei 38 Prozent herum. Und nur die Optimisten in der Partei glauben, dass das zumindest eine Stabilisierung bedeutet. Den Realisten ist klar, dass Volksparteien, die sich in falscher Sicherheit wiegen, noch tiefer abrutschen können. Eine weitere Schlappe bei der Europawahl würde die Debatten um die richtige politische Positionierung neu eröffnen. Einfache Antworten gäbe es dabei nicht, wie das Beispiel Asylpolitik zeigt. Die CSU ist in dieser Frage zerrissen, hat in ihren Reihen Gemäßigte wie Hardliner. Zu den interessantesten Figuren 2019 zählt der niederbayerische Europapolitiker Manfred Weber: Der Spitzenkandidat der europäischen Parteifamilie EVP verkörpert den nichtkrawalligen Part der CSU. Doch ist dieser Stil auch mehrheitsfähig bei den Wählern? Webers noch ausbaufähiger Bekanntheitsgrad - nur 49 Prozent der Bayern geben an, von ihm schon gehört und gelesen zu haben - ist Indiz dafür, dass leisere Töne manchmal auch leichter überhört werden. Sein Europawahlergebnis wird darüber entscheiden, welchen Stellenwert das eher Sanfte künftig in der Politik haben wird. Bei einem Wahlsieg hat er bekanntlich beste Chancen, zum EU-Kommissionspräsidenten und damit in die Riege der mächtigsten Männer Europas aufzusteigen. Erfolg ist die Währung, die auch in der CSU am meisten zählt. Bei einem Scheitern wäre Webers Stern rasch verblasst. Söder hat die Verantwortung für die Europawahl ganz in seine Hand gelegt. Das ist folgerichtig: Weber muss beweisen, was er im Kreuz hat. Es ist natürlich - wie immer bei Söder - auch clever. Die Schuld für die Landtagswahlpleite hatte er an Seehofer delegiert, damit wäre er nun erneut aus dem Schneider. Es liegt an Weber, ob nicht Variante 3 zum Zug kommt: Die CSU hat im risikoreichen 2019 bald zwei starke Männer an vorderster Front.
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