Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Datenklau: Seehofers neue Besonnenheit von Reinhard Zweigler
Regensburg (ots)
Die gute Nachricht ist: Als die Ermittlungsmaschinerie des Staates gegen den Datenklauer im Internet endlich auf Hochtouren lief, war der Täter rasch überführt. Gerade einmal 48 Stunden haben die Ermittler benötigt, um den jungen Hacker ausfindig zu machen. Das ist vor allem ein Erfolg der hochprofessionellen Arbeit des Bundeskriminalamtes und anderer Behörden von Bund und Ländern, die akribisch allen Spuren im digitalen Netz und in der analogen Welt nachgingen. Die schlechte Nachricht allerdings ist, dass der 20-jährige Hesse wochenlang wie in einem Adventskalender täglich immer neue Daten über Politiker, Künstler oder Journalisten ins Netz stellen konnte, ohne dass die Sicherheitsbehörden Wind davon bekamen beziehungsweise die Brisanz des Datenleaks erkannten. Erst der Kollege Zufall brachte sie in Bewegung. Hier muss noch gründlich nachgearbeitet werden. Die Bürger und staatliche Institutionen brauchen ein wirksames Früherkennungs- und Frühwarnsystem gegen kriminelle Angriffe auf ihre Daten in sozialen Netzen und anderswo. Eine wirksame Vorsorge gegen das Ausspähen von Daten, gegen das Abfischen von eigentlich geheimen Passwörtern etwa, ist aber nicht nur dringlich, weil nun einige hundert Promis ins Visier eines Hackers gerieten, sondern weil diesem kriminellen Treiben im Netz potenziell Millionen Nutzer ausgesetzt sind. Ob es um das Ausforschen von Kontozugangsdaten, Kundendaten bei Online-Händlern, Mediendiensten und anderem mehr geht. Die schöne, neue, bequeme Digital-Welt birgt leider auch einige Gefahren und Sicherheitsrisiken in sich. Umso besser man diese kennt, umso effizienter kann man sich wappnen. Insofern sollte der jüngste Datenklau auch ein Weckruf an uns alle sein. Für mehr Achtsamkeit, mehr Sorgfalt im Umgang mit den digitalen Medien. Twitter, Facebook, Instagram und Co. können tolle Möglichkeiten der Kommunikation sein. Jeder sollte sie allerdings auch verantwortungsbewusst und überlegt nutzen. Im Grunde gilt der Satz: Das Internet vergisst nichts. Einmal versendet, kann nichts zurückgeholt werden. Dabei waren die jetzigen Vorfälle, verursacht offenbar von einem einzelnen jungen Nerd, der die Tragweite seines Tuns nicht überblicken konnte, noch vergleichsweise wenig gravierend. Doch dieser Fall ist nicht der erste und er wird auch nicht der letzte dieser Art sein. In diesem Jahr stehen mit der Europawahl im Mai und gleich vier Landtags- sowie Kommunalwahlen wichtige demokratische Entscheidungen an. Hochprofessionelle Hacker, Social-Bot-Betreiber, "nichtbefreundete" Geheimdienste und andere zwielichtige Quellen aus dem Ausland werden wahrscheinlich viel raffinierter versuchen, ihren Einfluss im Internet auszuüben, Stimmung gegen demokratische Parteien, gegen die Europäische Union zu machen. Die deutschen Sicherheits-Behörden sollten sich gründlich und rasch darauf vorbereiten. Und zwar mit den jetzigen Kräften. Bundesinnenminister Horst Seehofer hat, anders als es die kurzschlüssige Kritik einiger Medien und Oppositionspolitiker unterstellt, in diesem Fall besonnen und zielorientiert gehandelt. Er hat sich weder in die Arbeit seiner Experten eingemischt, noch suchte er mit vorschnellen Ankündigungen und orakelhaften Spekulationen den Weg in die Öffentlichkeit. Das war beim Noch-CSU-Chef auch schon mal anders. Es könnte ja sein, dass Seehofer nun endlich "nur" noch seinen Ministerjob machen will. In zehn Tagen ist er den Parteivorsitz los. Genug zu tun bleibt dem Innen-, Bau- und Heimatminister aber allemal. Er könnte sich, befreit vom engen Korsett der CSU-Parteipolitik, ganz den gewaltigen Herausforderungen seines Ministeramtes widmen. Das wäre dann mal eine wirklich gute Nachricht.
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