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Mittelbayerische Zeitung: Katastrophen in Zeitlupe
Der Regierungsstillstand in den USA und der Brexit-Konflikt in Großbritannien fallen nicht zufällig zusammen. Leitartikel von Thomas Spang

Regensburg (ots)

Margaret Thatcher und Ronald Reagan bereiteten mit ihrer Privatisierungs-Offensive vor mehr als drei Jahrzehnten den Boden für die globale Entfesselung der Märkte. Sie begannen die sozialen Netze ihrer Gesellschaften ausgerechnet zu einer Zeit zu zerschneiden, in der diese am meisten benötigt wurden. Es lag an ihren Nachfolgern Tony Blair und Bill Clinton, die Globalisierung durch Kapitalmarktreformen und Freihandelsabkommen zu vollenden. Blair und George W. Bush fügten dem mit dem Irak-Krieg ein idealistisches Interventions-Projekt hinzu. Demokratie in der Heimat Saddam Husseins werde in der ganzen Region die Dominos in die richtige Richtung fallen lassen. Es kam anders. Und einmal mehr zahlten die Briten und Amerikaner den Preis, die von den versprochenen Segnungen des Marktes nicht profitierten. Nachdem Billionen (engl. Trillion) im Wüstensand Iraks versickert oder als Steuergeschenke in den Taschen der Spitzenverdiener verschwunden waren, hörten sie von ihren Regierungen, es sei leider kein Geld für die Bildung, das Gesundheitssystem oder die Infrastruktur da. Die große Rezession ließ dann in den USA und Großbritannien Millionen Menschen mit dem Gefühl zurück, selber nur noch einen Schritt weit vom Abgrund entfernt zu sein. Weil sich in beiden Ländern die Eliten früher, schneller und umfassender vom Rest der Bevölkerung entsolidarisiert hatten, traf sie nun die Rache des Populismus zuerst. In Großbritannien kam der Bumerang unerwartet in Form des Brexit, in den USA in der Gestalt Donald Trumps. In beiden Fällen hatten die russischen Geheimdienste ihre Finger im Spiel. Sie erkannten glasklar, wie leicht sich die inneren Gegensätze der angelsächsischen Gesellschaften ausbeuten ließen, um Chaos und Unfrieden zu verbreiten. Wladimir Putin kann sein Glück kaum fassen, wie Theresa May und Donald Trump alles daran setzen, die einstmals mächtigen Säulen der westlichen Nachkriegsordnung zu verzwergen. Die innere Lähmung Großbritanniens und der USA, die Unfähigkeit ihrer Führer, gesellschaftliche Gräben zu überwinden, bietet keinen Anlass zur Schadenfreude. Mangels Kompromissfähigkeit zeichnen sich Katastrophen in Zeitlupe ab. Mit einem No-Deal-Brexit, also dem unabgefederten Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union, schaden sich die Briten mindestens so sehr wie die Amerikaner sich mit einem fortgesetzten Regierungsstillstand. May und Trump verwechseln dumpfen Starrsinn mit Prinzipientreue. Beide führen die großen Demokratien zurück zu einer insularen Politik, die dem Aufstieg beider Länder zu Weltmächten vorherging. Der Rückzug ins populistische Schneckenhaus schafft ein Vakuum, das aufstrebende Mächte wie China und zynische Regime wie das in Russland nur zu gerne ausfüllen. Noch ist es nicht zu spät, das Richtige zu tun. Vielleicht befinden sich die Briten in einer besseren Position, die Notbremse zu ziehen, bevor der Brexit-Zug mit voller Geschwindigkeit in den Abgrund rast und das Land mitreißt. Ob die Amerikaner Trump noch rechtzeitig stoppen können, ist weniger gewiss. Der Kongress versucht es. Immerhin. Er will dem Präsidenten den Austritt aus der Nato verbieten. Für eine Amtsenthebung dürfte es mangels Unterstützung der Republikaner im Senat dagegen nicht reichen. Es bleibt also nur zu hoffen, dass sich Trump in der zweiten Halbzeit seiner Präsidentschaft selber zu einer lahmen Ente macht.

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