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Mittelbayerische Zeitung: Wir lieben jetzt auch Käfer/Die Bürger in Bayern diktieren ihrer Regierung mehr Artenschutz ins Arbeitsheft. Ein bisschen Ablasshandel war aber wohl auch dabei. Von Bernhard Fleischmann

Regensburg (ots)

Insekten sind wichtig - überlebenswichtig für alle Erdenbewohner. Wissenschaftler wissen das. Eine große Zahl von Menschen blendet diese Tatsache in ihrer Egozentrik aus. Das ist etwa bei Kreationisten sehr klar zu sehen. Diese sind davon überzeugt, dass die Welt, so wie sie ist, am 23. Oktober 4004 vor Christus von Gott in allen Details erschaffen worden sei - mit dem Menschen als Krönung. Ohne nachzurechnen, ob das ein eigentlich arbeitsfreier Sonntag oder ein Montag war, soll auf diesen Glauben der 1964 verstorbene Evolutionstheoretiker John Haldane mit schönstem hintergründigen Humor geantwortet haben: Gott scheint eine übertriebene Vorliebe für Käfer zu haben. Denn geschätzt dürfte etwa jede vierte Tierart auf Erden käfertypische Merkmale aufweisen. Nicht nur faktenverachtende Gläubige bringen wenig Sinn für das Kleingetier auf. Auch aufgeklärte modernere Menschen reagieren bestenfalls mit Gleichgültigkeit, sogar eher mit Abscheu oder gar Furcht - man denke an Spinnen. Insofern ist der überwältigend ausgefallene Erfolg des Volksbegehrens "Rettet die Bienen" für mehr Artenvielfalt auf den ersten Blick eine Überraschung. Doch die Initiatoren haben viel richtig gemacht, um die Menschen mitzureißen. Maja wirkte als Covergirl so unwiderstehlich, dass die Starnberger reihenweise mit SUVs nah ans Rathaus heranbrummten, um sich in die Listen einzutragen. Stellenweise wirkte es wie ein Ablasshandel. Es erleichtert das Gewissen, wenn man hinterher die Flüge für das laufende Jahr bucht und sich den CO2-Ausgleich spart. Und damit zum ernsthaften Kern dieses Volksbegehrens: Wer denkt, es reicht, wenn die Bauern ein paar Wiesen ein bisschen bunter blühen lassen und vielleicht auch wieder mal ein farbenfroher Schmetterling zu sehen ist, der irrt. Doch den meisten Unterzeichnern dürfte das bewusst gewesen sein. Es besteht offenbar eine tiefergehende Sehnsucht nach einer besser geschützten und intakten Umwelt. Dass die meisten von uns sehr dankbar sind, wenn sie sich selbst möglichst wenig dafür einschränken müssen, steht fest. Aber immer stärker verbreitet sich das Unbehagen, dass die fortschreitende Zerstörung der Natur uns demnächst schwer auf die Füße fallen könnte - jedem persönlich. Wer sich umblickt, den beschleicht alsbald das Gefühl: Das geht schief. Das Insektensterben ist dafür ein augenfälliges Indiz. Jeder bemerkt es, wenn es auf einer längeren Autofahrt nicht mehr Hunderte, sondern nur noch ein paar Fliegen auf die Windschutzscheibe matscht. Und jedem dämmert, dass ohne diese Tierchen und ihre Bestäubungshilfe wenig wächst und auch nichts Abgestorbenes weggeräumt wird. Schon gar niemand hat Lust, demnächst mit einem Pinsel auf Bäume zu steigen und Blütenstaub zu verteilen. Der Schutz der Natur eint Öko-Bewegte, Linke, Konservative, Religiöse und Atheisten. Der Erfolg der Grünen rührt ja nicht nur von der Todessehnsucht der SPD her. Auch die CSU hat bei der vergangenen Landtagswahl massiv Stimmen an die Grünen abgegeben. Man kann diese Öko-Bewegtheit als Hype bespötteln. Man kann sie aber auch als fundamentale Bewegung und wachsende Einsicht akzeptieren. Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen. Wir werden sehen, wie genau die Bürger und Wähler der bayerischen Staatsregierung nun auf die Finger schauen - und gegebenenfalls klopfen, wenn sie sich an die Umsetzung oder Verhinderung der Forderungen macht. Wir werden genauso sehen, ob auch einzelne Mitbürger sich insektenfreundlicher verhalten, blühende Gärten zulassen und ihre Mähroboter stilllegen. Wir werden sehen, ob die Verbraucher mehr Bio kaufen; ob die Landwirte sich daran halten, nicht bis auf den letzten Meter an Gewässer heranzuackern. Es sieht heute so aus, als ob in Bayern etwas Gutes in diese Richtung passiert ist.

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